Abwechslung Pur: Die Abwechslung von der Abwechslung

Unser sechstes Wochenende in Cusco: Molino, Lili's Geburtstag und die besten Cupcakes weit und breit!

Dieses Wochenende begann für Franca und mich im Prinzip schon am Donnerstagmittag, als wir aus dem Krankenhaus entlassen wurden. Telefonisch habe ich mit den anderen Freiwilligen abgeklärt, dass es nicht sinnvoll ist, für weniger als 24 Stunden hoch nach Quiquijana zu fahren und ihnen gesagt, dass ich mich dazu entschlossen habe, Franca, die immer noch ziemlich schlapp und entkräftet war, weiterhin Gesellschaft zu leisten. Daher haben wir am Donnerstag schnell etwas eingekauft und unsere Rucksäcke zu unserer Gastfamilie gebracht, um direkt im Anschluss in Lilis Küche etwas zu Essen zu kochen. Im Supermarkt "Mega" haben wir sehr leckere Vollkornnudeln ergattern können, die wir mit einer feinen, gutschmeckenden Tomaten-Zucchini-Soße kombiniert haben und anschließend genießen konnten. Außerdem ging ich zusammen mit Franca in ein liebevoll gestaltetes französisches Café, in dem ich einen Trüffel-Cupcake gegessen, sowie einen sehr leckeren Kakao getrunken habe! Sie bestand allerdings darauf, mich dazu einzuladen, da sie ja die letzten vier Tage stets begleitet habe.

 

Am Freitagmorgen, am Frühlingsanfang der südlichen Welthalbkugel, bin ich für meine Verhältnisse schon früh aufgestanden, um mit meinem Lieblingsbruder skypen zu können, sodass ich aber auch das Privileg hatte, zusammen mit Lili und Bico zu frühstücken, die jeden Tag um 9:30 Uhr das Haus verlassen, um arbeiten zu gehen.

Mittlerweile wissen wir auch, dass Bico hinter Lilis Optikerladen eine kleine Tischler-Werkstatt gehört und ursprünglich Architektur studiert hat. So haben wir über seine Frau erfahren, dass die gesamte Küchen- und Wohnzimmereinrichtung von ihm gebaut worden ist und auch, dass er für die Gestaltung unseres Zimmers verantwortlich ist. So hat er beispielsweise mein Schlafdomizil mit eigenen Händen zusammengebaut, meinen Schrank angefertigt und die Treppe, die zu Francas und Reginas Zimmer führt, geplant und gezimmert.

Anschließend bin ich mit Franca losgezogen, um im Molino etwas für Lilis Geburtstag am Montag zu kaufen - Leider vergeblich! An dieser Stelle möchte ich kurz das Molino beschreiben, das man als das „peruanische Einkaufszentrum“ bezeichnen könnte. Neben vielen Elektronikgeräten wie Kameras, Controller oder Fernseher, können an vielen kleinen Ständen, die dicht an dicht aufgebaut sind, auch Dinge wie DVDs, CDs und Computerspiele – ein Traum für Benni und Florian – erworben werden, allerdings auch Kinderspielsachen, Kleidung und Schuhe. In einem Teil des Molinos werden auch verschiedenste Obst- und Gemüsesorten verkauft, die nur so leuchten und viel größer sind, als die Früchte, die nach Deutschland importiert werden. Jedoch kann man dort nicht nur Obst kaufen, sondern sich auch mit Mais und Kartoffeln, die in überdimensional großen Säcken aufbewahrt werden, eindecken. Besonders beeindruckend ist auch die Gewürzabteilung, in der man alles was das Feinschmeckerherz begehrt, entdecken kann. Ich bin mir sicher, dass ich das ein oder andere Gewürz am Ende meiner Reise mit nach Deutschland nehmen werde, um mich dort an dem Geruch täglich zu erfreuen.

Für mich war dieser Tag ein Glückstag, da ich 5 Filme – unter anderem Ich Einfach Unverbesserlich 2 – für weniger als 60 Cent kaufen konnte! Direkt im Anschluss machten wir uns auf den Weg zu unserem Stammrestaurant, dem "Encuentro", das nur vegetarische, wahnsinnig leckere Gerichte anbietet. Mal wieder sehr gut gestärkt fuhren wir zurück zu unserer Familie und verbrachten den weiteren Tag mit Warten auf unsere Kollegen aus Quiquijana. Abends - es sollte eine Überraschung werden - habe ich für alle Pfannkuchen gebacken, worüber sich der größte Teil der Gruppe auch wirklich gefreut hat. Glücklich und zufrieden fiel ich anschließend mit einem viel zu vollen Magen in mein Bett.

 

Den Samstagmorgen haben wir erst einmal sehr ruhig angehen lassen: Nachdem wir erst einmal bis 15 Uhr sage und schreibe nichts gemacht haben – außer selbstverständlich essen, schlafen und im Internet surfen – machten wir uns im Anschluss mit alle Mann auf zum Christo Blanco, da man von dieser weißen Gottesstatur aus einen wundervollen Blick über die Stadt hat. Besonders Marina, die in der letzten Woche Geburtstag hatte und diese Woche bereits ihre Heimreise antritt, äußerte diesen Wunsch. Daher wanderten wir einen sehr steinigen, steilen und unbefestigten Weg durch das Gestrüpp entlang, um schließlich und endlich an unserem Ziel anzukommen, die Aussicht zu genießen und uns zu ärgern, nichts zum Picknicken mitgenommen zu haben. Nach wenigen Minuten sprach uns ein Mann an, ob wir nicht Lust hätten, mit einem Pferd durch die peruanische Landschaft bei Sonnenuntergang zu reiten, wovon sich Marina und Regina überzeugen ließen. Wir anderen fünf fuhren allerdings mit einem Taxi für je 44 Cent zurück in die Stadt. Bei Lili angekommen, kochte ich zusammen mit der lieben Franca das gleiche Rezept von Donnerstag ein wenig abgewandelt mit zusätzlichen Möhren. Anschließend gönnten wir uns noch einen durchaus lecker gewordenen Instant-Kaffee und warteten sehnsüchtig auf die Berichterstattung Reginas, wie das Reiten durch die Berge geklappt hat.

Voll und ganz begeistert von der Landschaft und dem Gefühl auf einem Schimmel in den peruanischen Anden zu sitzen, war sie auch froh über die Tatsache, schon in Deutschland einmal auf einem Pferd gegessen zu haben. Obwohl ich direkt neben einem Reitstall in meiner Heimat wohne, habe ich dies bisher noch nie gemacht, worüber ich mich das erste Mal in meinem Leben geärgert habe.

Bevor wir uns am Sonntagabend wieder auf den Weg nach Quiquihama (♥)machten, feierten wir morgens am Frühstückstisch Lilis Geburtstag, indem wir von unserem selbstgebackenen Sandkuchen mit Orangengeschmack aßen und zu Lilis Ehren ein deutsches sowie ein spanisches Geburtstagslied sangen. Eigentlich hat sie erst am nächsten Tag, am 23. September Geburtstag, allerdings ist es in Peru typischer einen Geburtstag einen Tag vor- anstatt eine Woche später nachzufeiern. Zu diesem Zeitpunkt wurden wir von ihr zu ihrer Schwester für nächsten Sonntag nach Urubamba eingeladen, um dort Volleyball zu spielen, in einem Pool zu schwimmen und generell die Familie Lilis besser kennenzulernen. – Ich freue mich schon sehr!

Später bin ich mit Anna-Maria zusammen zur Post gefahren, um für 47 (!) Euro ein 1,23 Kilo schweres Paket nach Deutschland zu verschicken. Ein wenig geschockt von der hohen Geldsumme gingen wir im Anschluss zusammen zum Gottesdienst, von dem ich leider diesmal nur sehr wenig verstand. Als wir zurückkamen, informierte ich mich noch kurz über die erfreuliche Prognose der Bundestagswahlen in Deutschland, aß zusammen mit den anderen etwas beim peruanischen McDonalds namens „Bembos“ und ruhte mich so lange aus, bis wir uns um 17:30 Uhr auf den Weg zu unserer Projektstelle machten.

Auf, auf nach Quiquijana!

Als wir gegen 19 Uhr in Quiquijana eintrafen, ich meinen Fuß aus dem Bus gesetzt hatte und ich das Dorf nach über einer Woche wiedersah, freute ich mich wahnsinnig auf die Woche hier, auf die Zusammenarbeit mit Marina, unsere Arbeit im Projekt und auch auf unser liebevoll eingerichtetes Zimmer. Mittlerweile entsteht ein Gefühl des „Nach-Hause-Kommens“, wenn man in Quiquijana ankommt, die vielen Kinder auf der Straße sieht und generell das vollkommen andere Leben in dem kleinen Andendorf aufs Neue entdecken darf, ohne ständigen Internetkontakt nach Deutschland zu haben, ohne sauberes Wasser und ohne jeglichen außerordentlichen Luxus. Ich mag das Gefühl, wieder hier anzukommen, genauso wie ich das Bewusstsein nicht missen möchte, jeden Freitagmittag zurück nach Cusco zu fahren; in die Stadt, in der eine liebe Gastfamilie auf dich wartet und die Möglichkeit besteht, mit Freunden und Familie zu skypen. Ich bin froh darüber, im Moment drei „zu Hause“ zu haben: Eines, in Ratheim, bei der wundervollsten Familie der ganzen Welt, eines in Cusco bei unserer Gastmutter Lili und auch eines oben im Andendorf bei den Kühen, Schafen, der erfüllenden Arbeit und den vielen kleinen Kindern!

El día del Estudiante! - Der Tag des Schülers

Der 23. September war nicht nur für mich ein besonderer Tag, da ich das erste Mal Marina zum Kindergarten begleitet habe, sondern auch für alle Schüler und Kindergartenkinder Perus, weil dieser Tag der Tag war, an dem sie – ohne Wenn und Aber – gefeiert wurden und ihnen die Ehre der Großen galt. So kam ich gegen halb 9 Uhr im Kindergarten an, wobei ich mich zuerst einmal bei den Erzieherinnen vorgestellt und ihnen erklärt habe, dass ich diejenige bin, die Marina in der folgenden – und zeitgleich Marinas letzten – Woche begleiten wird. Während die 32 Kinder des Kindergartens gefrühstückt haben (Es bestand aus einem Grießbrei mit Apfelstückchen), unterhielt ich mich noch eine Weile mit Marina, ohne dass unsere Arbeit in irgendeiner Weise gefordert wurde; außer, wenn sich mal wieder zwei der Kinder geschlagen haben, wobei meist Banalitäten mit Fäusten aus der Welt geschafft werden sollten. Meine Aufgabe war es – selbstverständlich – die Kinder voneinander zu trennen und sie auf ihre Plätze zu setzen, damit sie ihre Schüssel mit dem Brei auch wirklich leeressen. Nachdem die Kinder zu Gott gebetet und einige Lieder gesungen haben, sowie die Anwesenheit der Kinder überprüft wurde, gingen alle Kinder zusammen auf einen Hof, der sich im Kindergartengelände befand, um dort zu tanzen, zu singen und „die Reise nach Jerusalem“ zu spielen. Im Hintergrund liefen viele spanische und englische Geburtstagslieder, da der Tag wie ein Geburtstag für alle Schulkinder gefeiert wird. Alle Kinder fanden es sehr lustig, wie ich mit ihnen getanzt und Blödsinn gemacht habe, wobei ich mich wieder an ihrem Lächeln erfreute, welches sie mir daraufhin schenkten.

 

Später, das war für die Kleinen ganz offensichtlich das Highlight des Tages, gab es ein großes Gefäß aus Pappe, das mit Süßigkeiten gefüllt war. (Ich kenne leider keine Übersetzung für das Wort Piñata) Meine Aufgabe bestand darin es festzuhalten, damit die Kinder der Reihe nach dagegen schlagen konnten. Sie hatten eine riesengroße Freude daran, auch wenn die meisten Mädchen gar keine Kraft in ihren Armen hatten und der ein oder andere Junge eher meine Hüfte anstatt das eigentliche Zielobjekt getroffen hat.

Mein persönliches Highlight war jedoch ein kleiner Junge, der leider am Down Syndrom erkrankt ist, dem ich die Schuhe gebunden habe, aus Angst, dass er einige Zeit später hinfallen könnte. Daraufhin wollte er mich gar nicht mehr loslassen und nur noch mit mir spielen, hat mich durch den kompletten Hof des Kindergartens gewirbelt und lachte dabei aus voller Kehle. Er lachte und lächelte, als gäbe es kein Morgen mehr und hat mit mir zusammen sehr viel Spaß daran gefunden, mit dem bunten Zaun des Kindergartens zu spielen, indem er die Flaschen, die an Drahtseilen befestigt sind, immer wieder zum Drehen brachte.

Um 12 Uhr endete meine Arbeit dort, sodass ich zusammen mit Marina zum Schwesternhaus gelaufen bin, mich kurz umgezogen habe, um anschließend auch mit Franca, die an diesem Tag noch nicht wieder auf der Chacra mitgearbeitet hat, zum Esstisch in der Albergue zu streiten. Um 15:30 Uhr – zur der Zeit, zu der normalerweise die Hausaufgabenbetreuung beginnt – stand dieser Tag auch auf dem Kopf, da wir auch in der Albergue mit unseren Kindern ihren Feiertag gefeiert haben. Mit der Ansage „Der Tag des Schülers ist zeitgleich der Tag der neuen Spielsachen“ nahm Pavela neue Hula-Hopp-Reifen, Seilchen, Twister, Bälle und vieles andere aus zwei großen Beuteln. Die Kinder stürzten sich selbstverständlich auf die neuen, kunterbunten Spielsachen und hatten damit große Freude. Besonders großen Anklang fand das Spiel Twister, sodass ich auf den Boden ein größeres Spielfeld mit Kreide gemalt habe, wobei die Kinder mich tatkräftig unterstützten, sodass anschließend mehrere Kinder zeitgleich spielen konnten. Außerdem gab es neue Tischtennisschläger und -bälle. Die größten Jungs der Albergue nahmen deshalb einen kleinen Holztisch aus dem Arbeitsraum, zogen in der Mitte des Tisches eine rote Linie aus Kreide und das Spiel konnte beginnen.

 

Es war sehr schön und rührend zu sehen, wie die Kleinen und Großen auf Franca und mich zuliefen, uns umarmten und uns zum Ausdruck brachten, dass sie sich über unsere Rückkehr zur Albergue freuen, nachdem sie eine Woche alleine arbeiten mussten.

 

Zudem tanzten wir alle zusammen zu Musik, wozu auch Videos auf dem Fernseher liefen. Dabei hatte jeder von uns mindestens eine Hand voll Kinder um sich herum, mit denen wir meist einfach nur im Kreis liefen, ein wenig auf und ab sprangen und unseren Spaß hatten. Manche Kinder konnte man nicht recht dazu motivieren, ihr Tanzbein zu schwingen, allerdings funktionierte das Druckmittel, dass es sonst keine Süßigkeiten für ihn/ sie gäbe, eigentlich immer.

 

Nach einiger Zeit des Tobens, des Spielens und des Tanzens, gaben Franca, Regina und Benjamin ein Konzert. Sie gaben ihrer Band den Namen „Los fabulosos Voluntarios“ und spielten wunderschöne südamerikanische Stücke, wie zum Beispiel das peruanische Stück „El condor pasa“. Alle waren wieder hellauf begeistert und einige Kinder schafften es sogar, das komplette Konzert aufmerksam zuzuhören.

Als wir gegen 18 Uhr zum Abendbrot stritten, saß Anna-Maria bereits zusammen mit Florian am Abendbrottisch und bastelten Rosenkränze, da sie dies in der letzten Woche bereits von Hermana Polly gelehrt bekommen haben. Auch ich habe daran große Freude gefunden und war stolz wie Oskar, als ich meinen ersten selbstständig angefertigten Rosenkranz in den Händen hielt.

Der Stromausfall der ganz besonderen Sorte

Während wir zusammen am Tisch saßen, Rosenkränze banden und nebenbei auch ein bisschen was aßen, fiel plötzlich der Strom aus und viele Kinder begannen lauthals zu schreien, da zeitgleich ein Gewitter mit stärkstem Regen einsetzte. Anna-Maria, Franca und ich, die gerade dabei waren, Rosenkränze zu binden, waren von dieser Tatsache ein bisschen genervt, da die Arbeit ohne Licht nicht unbedingt leichter von der Hand ging. Zu allem Überfluss nahmen uns die Schwestern unsere Kerze weg, um selbst ein wenig Licht in der Küche zu haben und brachten sie uns erst eine halbe Stunde später zurück. Improvisierfreudig wie unsere Gruppe aber doch ist, haben wir schnell eine Lösung gefunden und ich konnte meinen Rosenkranz doch noch – mehr oder weniger schön – zu Ende bringen. Zusammen mit Franca wusch ich noch sehr romantisch unser Geschirr im Kerzenschein ab, um anschließend im strömenden Regen zum Schwesternhaus zurückzukehren. Klitschnass angekommen und Gott sei Dank nicht von einem rasenden Auto überfahren, zog ich mich in Windeseile um, kuschelte mich in mein Bett und erfreute mich an der Tatsache, dass mein Laptop ausnahmsweise keinen leeren Akku aufwies.

Der Kindergartenbesuch!

Wie hat man sich einen peruanischen Kindergarten vorzustellen?

Im Allgemeinen ist ein peruanischer Kindergarten ziemlich anders als ein deutscher aufgebaut, was mir vor allem an der Tatsache aufgefallen ist, dass die Gruppe, die ich leider nur zwei Tage lange betreuen durfte, ausschließlich aus vierjährigen Kindern besteht. Es gibt aus diesem Grund auch nur zwei weitere Gruppen: Eine, in der die dreijährigen Kinder betreut werden und eine andere Gruppe mit den fünfjährigen Mädchen und Jungen, die auf die Schule noch intensiver vorbereitet werden, als die aus meiner Gruppe.

Die erste Tätigkeit am Morgen besteht darin zu frühstücken und im Anschluss zu Gott zu beten, wobei auch viel gesungen wird. Normalerweise denkt man sich jetzt, dass Spielen auf dem Tagesplan der Kinder steht, aber leider irrt man sich dort gewaltig: Die Erzieherinnen, die nebenbei von den Kindern als „Professoras“ / „Lehrerinnen“ angesprochen werden, stellen den Kindern Aufgaben, die sie bearbeiten müssen: Sie malen den Kleinen einen Kreis vor, den sie anschließend ausmalen oder bekleben sollen, sie stempeln ihnen etwas in ihr Arbeitsheft, was die Kinder nachzeichnen oder mit Buntstiften verschönern dürfen oder die Lehrerin klebt ihnen ein Arbeitsblatt in dieses Heft, auf dem sie beispielsweise alle Dreiecke anmalen müssen. Auffällig ist wohl, dass viele Kinder nicht in der Lage sind, eine Schere an einer Linie entlang zu führen und sehr, sehr willkürlich das Blatt zerschneiden. Außerdem stecken sie wirklich ausnahmslos alles in den Mund: Neben Kleber und Papierkügelchen aßen andere auch Wachsmalstifte oder Styroporkügelchen.

Nicht nur die Tatsache, dass die Kinder die Erzieherinnen als Lehrerinnen bezeichnen und dass sie viel weniger spielen als in einem deutschen Kindergarten, lässt den Kindergarten wie eine Schule wirken. Nein, an den Wänden hängt unter anderem auch eine Tafel, die immer mit einem Thema bestiftet ist, dass die Kinder – meiner Meinung nach – in diesem Alter überfordert. Wenn die Lehrerin dann an der Tafel steht und die Kinder genau wie in einer deutschen Grundschule unterrichtet, melden sich die Kinder eifrig und wenn sie eine falsche Antwort nennen, schreien die Erzieher sie laut an. Allerdings fand ich es erschreckender wie oft den Kindern gesagt wurde, dass sie anständig auf ihrem Platz zu sitzen haben. Kaum war einer der Kleinen aufgestanden, wurden sie sofort auf ihren Platz zurückgewiesen, durften keine zwei Minuten sich mit einem anderen Kind unterhalten, sondern mussten die Aufgaben mindestens sehr gut erfüllen. Sie bekommen täglich Hausaufgaben auf und besprachen in einer Woche, in der Marina dort war, die Organe des Menschen. Außerdem müssen sie täglich (!) eine Uniform tragen, die sehr der Uniform der Grundschule gleicht! So trägt jedes Mädchen einen grauen Rock mit einer weinroten Strumpfhose und Pullover, wobei die Mütter jeden Morgen sehr viel Wert auf die Frisuren der Kleinen legen. Die die kleinen Männer unter ihnen tragen eine graue Hose mit einem Pullover, in dem gleichen Farbton der Uniform der Mädchen. Selbstverständlich tragen sie darunter ein Hemd mit Krawatte – und das jeden Tag, wobei man allerdings hinzufügen muss, dass keine Pflicht für die Kinder besteht und manche Kinder auch zivil im Kindergarten aufkreuzen. Im Innenhof des Kindergartens, von dem ich schon berichtet habe, da dort die Kinder den Día del Estudiante zelebriert haben, gibt es kaum Grünflächen, sondern der größte Teil der Fläche besteht aus Betonboden. Auf diesem Innenhof gibt es gar keinen Sand zum Spielen, keine Klettergerüste, keine Schaukeln, und generell eher nichts, was ein Kinderherz höher schlagen lassen könnte. In den zwei Tagen, in denen ich den Kindergarten besuchen durfte, haben die Kinder insgesamt weniger als 10 Minuten gespielt, wobei sie mit Wäscheklammern meist Waffen und Flugzeuge gebastelt haben.

Am Dienstag, – es war leider mein letzter Arbeitstag im Kindergarten, da die Erzieherinnen von Mittwoch bis Freitag an einem Sportfestival teilnahmen – wurde ich von einer Erzieherin gefragt, ob ich nicht Erziehungswissenschaft studiert hätte, da ich so liebevoll mit den Kindern umgehen und so erklären könnte, dass die Kinder mich sogar verstehen. Natürlich habe ich mich über dieses Lob gefreut, als ich jedoch erwiderte, dass ich dieses Jahr erst Abitur gemacht habe und vorhabe, Journalismus zu studieren, sah sie mich mit sehr großen Augen an und konnte die Welt für einen Augenblick nicht mehr so recht verstehen.

Ich hätte mich sehr gefreut, noch zwei bis drei weitere Tage den Kindergarten zu besuchen, um die Mechanismen dort besser verstehen zu können, da ich große Freude daran hatte, mit den Kleinen zusammen zu Blödsinn zu machen und ihnen die Arbeitsblätter zu erklären, die sie in weiten Teilen sehr überforderten. Außerdem fand ich es schade, dass ich die Kinderkrippe (WawaWasi) nicht besuchen konnte, in dem die unter Dreijährigen betreut werden. Vielleicht gibt es im Verlaufe des Jahres noch einen Vormittag, an dem meine Arbeit auf der Chacra nicht verlangt wird, sodass ich diese Erfahrung auch noch machen darf. Mal sehen, was die weiteren neun Monate meines Auslandjahres ermöglichen!

 

Der Mittwochmorgen: Guten Morgen, liebe Chacra!

Da ich schon über 1 ½ Wochen nicht mehr auf der Chacra mitgearbeitet habe, habe ich mich am Mittwochmorgen wirklich gefreut, als Beethoven – der Hund, der auf dem Bauernhof lebt – mir entgegenlief und mich liebevoll mit seiner nassen Schnauze begrüßte (und normalerweise kann ich Hunde nicht ausstehen!), sodass die Arbeit viel leichter von der Hand ging, obwohl die Sonne die beiden Gewächshäuser enorm aufheizte. Heute stand auf dem Tagesplan, die Arbeit von Florian und Anna-Maria vom gestrigen Tage fortzuführen, indem wir mit einer Seifenlauge jedes einzelne Blatt des Kohls wuschen. Die Arbeit gefiel besonders meinen Händen, die heute das erste Mal seit über einem Monat blitzeblank leuchteten. Durch die tägliche Arbeit mit der Erde verändert sich die Oberfläche unserer Hände enorm, sie sind rau, trotz mehrmaligen Händewaschens immer ein bisschen dreckig und nie vollkommen von Schmutz und Staub befreit. Ich bin schon sehr gespannt darauf, wie meine Hände am Ende dieses Jahres aussehen werden!

Da wir jeden Mittwochvormittag immer ernten, durften wir wieder mit einem Triciclo zurück zur Albergue fahren. Allerdings mussten wir heute ein anderes benutzen, da den Kinder beim Spielen die Achse des Dreirades, welches wir normalerweise benutzen, zerbrochen ist und dieses daraufhin für einige Zeit nicht mehr funktionsfähig in der Ecke stehen wird.

Die Rückfahrt war aber besonders lustig, da Florian mich zusammen mit dem geernteten Gemüse (Mangold, Kohl, Paprika und Petersilie) auf der Ladefläche des Triciclos zurückfuhr, Regina uns beide noch zusätzlich anschob und wir ziemlich schnell durch die Straße rasten. Später, als ich mich zusammen mit Florian auf den Rückweg zum Schwesternhaus machte und dabei laut Musik hörte, war ich sehr stolz auf mich, heute gut gearbeitet zu haben und dieses Dorf durch meine Arbeit zu unterstützen. Das Gefühl, dass genau durch MEINE Arbeit etwas erreicht wird und nicht nur durch die Arbeit der gesamten Gruppe, fühlt sich richtig gut an. Natürlich bin ich ein Glied dieser Gruppe und wenn wir sechs Freiwilligen etwas zusammen erreichen, ist auch ein Teil des Erfolges mir zu verdanken, allerdings ist finde ich es auch hin und wieder wichtig zu bemerken, dass genau Ich, Anna, und mein Tun hier gebraucht wird, indem ich auf der Chacra mitarbeite, für die Kinder da bin und meine Ideen und Gedanken in die Tat umgesetzt werden.

Tief Durchatmen und auf geht's: Der Englischunterricht

Nachdem ich die letzte Woche bei Franca im Krankenhaus lag und Regina den Englischunterricht eine Woche lang alleine schmeißen musste, hieß es am Dienstagabend auch für Franca und mich wieder, die Zähne zusammen zu beißen und nicht auszurasten, als die Kinder erneut das Verb „(to) be“ nicht konjugieren konnten – nach fünf Wochen harter Arbeit. Mittlerweile kann ich mich gut in die Lehrer meiner eigenen Schulzeit hineinversetzen und kann verstehen, warum sie ab und an mit ihren Nerven und besonders auch in meiner Klasse mit ihrem Englisch vollkommen am Ende waren. – An dieser Stelle: Entschuldigung, liebe Lehrer! Wir sangen mit den Kindern ein Lied namens „Good morning, how are you? I’m fine, thanks, and you?“, besprachen die Frage „How are you?“ sehr ausführlich und stießen dabei allerdings stets nur auf Lachen der Kinder, die sich zudem miteinander unterhielten und unsere Autorität zwanzig Meter unter die Erde gruben. Eigentlich lautet unsere Theorie, dass man sich die Vokabeln und Zusammenhänge der englischen Sprache durch gemeinsames Singen besser merken kann, allerdings interessiert das die meisten Kinder, die wir unterrichten, nicht sonderlich. Nach einiger Zeit blieb uns keine andere Möglichkeit, als die stetige Drohung zu den Schwestern zu gehen, in die Tat umzusetzen, sodass ein Gespräch mit allen Kindern der Gruppe B, uns und den Schwestern angesetzt wurde, sodass der weitere Englischunterricht die Möglichkeit zugesprochen bekommen soll, erfolgreich(er) zu verlaufen.

Dies und Das

Außerdem ist diese Woche noch das ein oder andere passiert, von dem ich euch berichten möchte, was aber zu wenig ist, um jedem Thema eine neue Überschrift zu widmen. Zum Beispiel sind Franca und Anna-Maria diese Woche umgezogen, sodass ich mir jetzt zusammen mit Anna-Maria im Schwesternhaus ein Zimmer teile und Franca zusammen mit Regina in der Albergue, im kleinen Zimmer hinter dem Mädchenschlafsaal, wohnt.

Am Mittwochnachmittag fand ein Gespräch mit Pavela statt, in dem wir alles angesprochen haben, was uns während der Hausaufgabenbetreuung in den letzten zwei Monaten aufgefallen ist. Da ich ab und zu sehr wenig bei den ganz Großen zu tun habe, werde ich an solchen Tagen Florian und Franca unterstützen, die bei den Kleinen immer sehr viel zu tun haben.

Momentan ist es zudem in den Gewächshäusern unerträglich heiß, dass ich es am Freitag – als ich das erste Mal nicht mitgewaschen habe – dort nicht länger als eine halbe Stunde ausgehalten habe. Fix und fertig und vor allem mit stärksten Kopfschmerzen bin ich gegen 11 Uhr schon zum Schwesternhaus zurückgekehrt, um dort Franca, Regina und Anna-Maria Wäsche waschend anzutreffen.

Besonders lustig war Schwester Cecilia diese Woche, die den beiden Katzen Kiki und Stuart ernsthaft ein T-Shirt angezogen hat, damit den beiden nicht kalt wird. Warum sollten auch nur wir gestraft sein, denen es sogar im Moment in einem dünnen T-Shirt viel zu warm ist?

Ich weiß, dass ich nichts weiß!

Als ich in dieser Woche wieder jeden Tag mehrmals durch die Straßen Quiquijanas lief, um vom Schwesternhaus zur Albergue zu laufen, merkte ich, dass ich vom Alltag der Bewohner Quiquijanas nur sehr wenig mitbekomme. Die unübersehbare Armut, die in diesem Dorf herrscht, lässt sich leicht durch die nur improvisiert zusammen gebauten Häuser aus Lehm, Beton und Wellblechdächern erkennen und auch durch die Tatsache, dass jeder Mann und jede Frau tagtäglich Lebensmittel in seinem Laden verkaufen muss, um zu überleben. Diese Läden sind oft von einem penetranten Fleischgeruch geprägt, da meist ganze Schwein- oder Kuhschenkel an einem Haken befestigt von der Decke hängen. Daneben stehen viele Kartons mit Süßigkeiten wie Schokolade, Chips oder Keksen; randvoll gefüllte Kartoffel- und Maissäcke sowie viele Utensilien, vollkommen unsortiert, sodass das Geschäft kaum zu betreten ist. Viele andere Menschen leben auf der Straße und verkaufen dort Essen, wie Reis mit Fleisch und Kartoffeln, um sich ihr Leben zu finanzieren. Wiederum andere Menschen besitzen kleine Stände am Straßenrand, an dem sie ihre Cola, Kekse oder auch Dinge wie Batterien für wenig, aber sehr gutes Geld verkaufen. Leider kann man sich ziemlich sicher sein, dass diese Bewohner dort auch in der Nacht schlafen, wenn die Plane über den Stand gezogen wurde, um ein bisschen Privatsphäre zu signalisieren.

An vielen Häusern, an denen wir vorbeigehen, erkennt man, dass beispielsweise Kronkorken von Limonade oder Bier als Muttern verwendet werden oder, dass sich viele Türen der Häuser, an denen wir vorbeigehen, überhaupt nicht schließen lassen, sodass die Wärme in der Nacht in diesem Laden, an den unmittelbar der Wohnbereich anschließt, stark abnimmt.

Die Selbstverständlichkeit, die wir Deutschen für uns beanspruchen, zu jeder Tages- und Nachtzeit warmes Wasser und Strom benutzen zu wollen und zu können, kennen die Peruaner nicht. Stattdessen ist es hier nahezu ein Moment des Glücks, beides gleichzeitig in Anspruch nehmen zu können.

 

In unserem Dorf Quiquijana gibt es zwei Schulen – eine Grundschule (Primaria) am anderen Ende des Dorfes sowie eine weiterführende Schule (Sekundaria), die keine zwanzig Meter von der Albergue entfernt ist. Alle Schüler/innen dieser Schulen müssen eine Uniform tragen, wobei sich einige nur einen Jogginganzug leisten können, auf dem der Schriftzug der Schule aufgedruckt ist. Viele dieser Uniformen werden auch ohne zu Waschen mehrere Wochen lang getragen und andere haben riesige Löcher in der Kleidung, die aus Kostengründen nicht gestopft werden können.

Wenn wir Freiwilligen vom Schwesternhaus zur Albergue laufen, kommen wir jedes Mal an einer großen Markthalle in der Nähe des Plaza de Armas vorbei, in der Obst und Gemüse verkauft wird. Obwohl diese Halle meist kaum von Besuchern gefüllt ist, wird diese zurzeit renoviert, sodass viele Frauen anstatt in, vor der Halle ihre Waren zu verkaufen versuchen und selbst noch in der Nacht in Decken eingemummelt dasitzen und noch auf einen späten Käufer hoffen. Dabei werden sie oft von hunderten streunenden Hunden umzingelt, die ebenfalls kein Zuhause bei einer netten Familie haben.

 

All dies sind Dinge, die sich von außen leicht beobachten lassen. Aber was das wirklich für die Menschen bedeutet, wie sie mit ihren alltäglichen Problemen umgehen und was sie vielleicht auch für Lösungen finden für Dinge, die für mich auf den ersten Blick unvorstellbar erscheinen, kann ich noch längst nicht einschätzen. Dafür reicht ein flüchtiger Blick als Außenstehender eben doch nicht aus, was ebenfalls durch die uneinsichtigen Häuser erschwert wird.

 

Ich bin froh, dass mir noch einige Monate in Peru bleiben, denn erst mit der Zeit fallen mir bestimmte Dinge auf, auf die ich vorher nicht geachtet habe. Zu Beginn ist schließlich noch alles neu und es gibt so vieles zu sehen und zu entdecken. So hoffe ich, dass ich bald noch mehr Möglichkeiten bekomme, tiefere Einblicke zu gewinnen, um die Lebensweise der Menschen besser verstehen zu können.

_____Ich vermisse euch ______________________________

 

Dieser Bericht hat mal wieder ein sehr großes Ausmaß genommen. Ich hoffe trotzdem, dass ihn der ein oder andere liest und vor allem, dass alles verständlich erklärt ist. Sobald eine Frage auftaucht, schreibt mir gerne eine Mail oder kommentiert den Blogeintrag; ich freue mich auch über Feedback!

Liebe Familie, an dieser Stelle möchte ich euch vorwarnen: Die letzte Woche hat sehr viel Schokolade aus Deutschland beansprucht, um den Krankenhausaufenthalt der letzten Woche ein wenig spannender zu gestalten. Ich danke euch für die Massen an Schokolade, die allerdings immer und immer kleiner werden. ♥

 

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