Langweile in Quiquijana ist wie Chacraarbeit ohne zu Schwitzen!

¡Hola a todos!

Zurückblickend muss ich sagen, dass meine ersten drei Monate in Peru wahnsinnig schnell vergangen sind. Ehrlichgesagt ist es für mich kaum nachvollziehbar, dass ich bereits seit 94 Tagen im Land der Inkakönige lebe - auf der anderen Welthalbkugel, in einer vollkommen anderen Welt; in einer Welt, die ich mir niemals so vorgestellt hätte! Ebenso wenig kann ich begreifen, dass ich vor vierzehn Wochen meine Heimat mit all meinen Freunden und meine Familie zurückgelassen habe, wobei ich zugeben muss, dass ich diese durch diese drei Monate umso mehr schätzen gelernt habe.

 

Das Wochenende, an dem ich die meiste Zeit verschnupft und erkältet in meinem Bett lag, verstrich wahnsinnig schnell mit einem typischen, skype-lastigen Tagesablauf. Am Sonntagnachmittag holte ich dann ein befreundetes Ehepaar Herrn Gravenkötters zusammen mit Sör Nelly und Hermana Cecilia am Flughafen in Cusco ab, um mit ihnen zu fünft nach Quiquijana zu fahren, wo das Ehepaar - Herr und Frau Vieth - für zwei Tage Urlaub machen werden, um im Anschluss eine Südamerikatour in Bolivien und Chile anzuschließen. Sehr viel Freude hatten wir dabei unser vielseitiges, abwechslungsreiches und kunterbuntes Projekt vorzustellen: Neben dem Schwesternhaus präsentierten wir ihnen die Albergue, wobei das Ehepaar von dem Lachen der Kinder ebenso begeistert war wie wir selbst. Außerdem erklärten wir schon zu diesem Zeitpunkt eine Menge und führten sie durch das Anwesen. Natürlich wurden die beiden Gäste ununterbrochen nach ihrem Namen gefragt, sowie wir alle zwei Minuten gefragt wurden, wessen Vater bzw. Mutter hier zu Besuch seien.

Der Montagmorgen begann dann wieder einmal typisch untypisch, indem ich zusammen mit Regina, Sör Nelly und dem Ehepaar Vieth den Kindergarten besuchte. Herr Vieth ist begabter Fotograf und möchte für die Kinderhilfe Cusco-Peru einen Jahres-Wand-Kalender veröffentlichen, in dem vor allem viele Kinderportraits abgelichtet sein werden. Aus diesem Grund spielten wir mit den Kinder des Kindergartens einige Zeit, sodass einige schöne, ungestellte Fotos entstehen konnten. Völlig fasziniert von der großen Kamera, rollten sich die Kinder in einem Sitzkreis unter anderem einen Ball hin und her, wobei jedes Kind aus voller Kehle »a mí, a mí« (dt. (Wirf den Ball) zu mir, zu mir!) rief, um auf sich aufmerksam zu machen, was allerdings den Lautstärkepegel ins Unermessliche stiegen ließ. Im Anschluss liefen wir zusammen zum WawaWasi, zur Kinderkrippe, die allerdings an diesem Montagmorgen verschlossen blieb. Aus diesem Grund verabschiedeten wir Sör Nelly ohne deren autoritäre Anwesenheit, die Kindergärtnerinnen wahrscheinlich keine Fotos zugelassen hätten. Voller Stolz und Freude zeigten wir Herrn und Frau Vieth anschließend die Arbeit auf den Chacra, wobei die Gewächshäuser wieder einige Punkte auf dem Thermometer aufwiesen, sodass der Rest unserer Gruppe bereits zum Zeitpunkt unserer Ankunft ziemlich rot im Gesicht und verschwitzt war. Am Nachmittag fand die Nachmittagsbetreuung wie gehabt statt; die Zusammenarbeit mit meinen Jungs und Mädels klappt von Woche zu Woche besser, da sich mittlerweile auch die verschlossenen Mädchen meiner Gruppe öffnen, sodass ich einen Zugang zu ihnen finde, hin und wieder mit ihnen lachen kann und sie auch Hilfe bei ihren Hausaufgaben zulassen.
Abends sangen viele Kinder wieder zusammen mit Schwester Polly und das Geschehen wurde von ihrer und Benjamins Gitarre wie auch von Reginas Geige untermauert. Aus diesem Grund fiel der abendliche Englisch- bzw. Computerunterricht aus und wir verschwanden alle nach und nach in unsere Betten, da der Wecker um 6:45 Uhr zum Aufstehen ermunterte.


An diesem Dienstag, am 08. Oktober, war ein traditioneller Feiertag in Peru. Anders als jedoch an vielen anderen Orten haben wir zusammen mit den Kindern und unseren Ordensschwestern den 95. Geburtstag der Gründerin des Ordens „Siervas de Cristo Sacerdote“ gefeiert. Aus diesem Grund trafen wir uns bereits um 7:30 Uhr an der Albergue, um zuerst ein gemeinsames Gruppenfoto zu machen, das freundlicherweise Herr Vieth mit seiner Kamera aufnahm. Anschließend liefen wir zusammen zum Plaza de Armas in Quiquijana und verteilten uns auf verschiedene Fahrzeuge, die uns zu unserem Ziel, einem kleinen Wallfahrtsort in der Nähe von Cusco, bringen sollte. Da der Bus kleiner als erwartet ausfiel, nahmen die Kinder in dem Bus zu viert auf den Zweierplätzen Platz, die größten Jungs der Albergue fuhren mit einem gesonderten Kleinbus, Regina mit dem Jeep der Schwestern und Anna-Maria, das Ehepaar und ich mit einem Taxi. Kurz bevor wir an unserem eigentlichen Ziel ankamen, machten wir einen kurzen Halt, um auf den etwas langsameren Bus zu warten. Von dort aus konnten wir viele Frauen und Männer beobachten, die den Fahrern Blumen und Kerzen verkaufen wollten und sich dabei sehr geschickt anstellten: Nachdem sie den Autos, die auf dieser Straße nur langsam vorankamen, ungefähr zehn Metern hinterherliefen, entschieden sich einige Kurzentschlossene zu einem Kauf, wobei dies problematisch wurde, wenn statt nur einem Verkäufer plötzlich sieben oder acht die Ware gegen Geld tauschen wollten.
Im Anschluss nahmen wir an einem Gottesdienst in einer Kapelle teil, die sich oben auf diesem Berg befand und das Hauptaugenmerk des Ortes ist. Neben vielen Texten die Sör Nelly über die Gründerin  Magarita Fornesca des Ordens verlas, lasen Anna-Maria und Florian je eine Fürbitte vor und Benjamin, Schwester Polly und Regina spielten die noch am Vortag geübten Stücke und Lieder, die zudem von vielen Kindern der Albergue gesanglich unterstützt wurden. Als diese Messe schließlich mit einer Segnung mit Weihwasser abgeschlossen wurde und sich die Menschen danach sehnten wirklich mit dem heiligen Wasser geweiht zu werden – anstatt wie in Deutschland förmlich unter die Bänke zu kriechen – bekamen alle Kinder einige Schokoladenkekse und ein kleines Eis von den Schwestern.


Auf einem Feld, das keine zwei Gehminuten entfernt gelegen war, spielten wir mit den Mädchen und Jungen einige Spiele: Neben Eier-Wettlauf (allerdings mit Orangen, die auf einem Löffel, der zwischen die Zähne geklemmt wurde, transportiert wurden) waren einige auch mit der Aufgabe beschäftigt, die schöne Landschaft zu zeichnen und wiederum andere durften mit Knete Gegenstände modellieren, was den meisten Kindern große Freude bereitete. Nur noch besser gefallen hat den Kindern ein Hula-Hopp Wettbewerb und Tauziehen, wobei Jungs gegen Jungs und Mädchen gegen Mädchen antraten. Oft bekamen beide Parteien Unterstützung von Schwester Polly oder Schwester Cecilia, was die Angelegenheit nur noch verrückter werden ließ. Auch wir Freiwilligen ließen uns den Spaß nicht nehmen, gegeneinander anzutreten, wobei wir erst ein unfaires Duell Jungs (Florian und Benjamin) gegen Mädchen (Franca, Anna-Maria, Regina und ich) durchführten und im Anschluss Benjamin, Franca und Anna-Maria gegen Florian, Regina und mich antrat, wobei ich mich ein zweites Mal in der glücklichen Gewinnermannschaft befand. Die Schwestern und die Kinder konnten sich vor Lachen absolut nicht mehr halten, als sich Benni und Flo an den Hula-Hopp-Reifen versuchten, was zugebenermaßen sehr lustig aussah.


Der Nachmittag begann leider im einsetzenden Regen, wurde allerdings auch glücklicherweise nur im Nieselregen beendet. So saßen wir auch auf dem Bürgersteig des Dorfes und aßen eine Kleinigkeit, die die Schwestern in einem großen Topf auf der Ladefläche des Jeeps transportiert hatten. So bekamen die ungefähr hundert Anwesenden (Die Kinder der Albergue, die beiden Köchinnen und ihre Kinder, die vier Schwestern, Pavela, das Ehepaar und wir Freiwilligen) je ein Stück Hähnchen, zwei Kartoffeln, viele Maiskörner und ein hart gekochtes Ei. Besonders beeindruckend war, dass die Kinder, die das Essen nicht aufessen konnten, sich kleine Tüten sammelten, um die Reste mit nach Hause zu nehmen. Sie würden niemals auf die Idee kommen, die übrig gebliebene halbe Kartoffel einfach wegzuschmeißen und bewahren sie stattdessen für eine spätere Mahlzeit auf: Die Kinder haben schon einmal erlebt, was es bedeutet, Hunger zu haben!

 

Der Mittwochmorgen begann wieder einmal mit Brotbacken: Allerdings bekam an diesem Morgen Schwester Cecilia nur von zwei Leuten Unterstützung, nämlich von Florian und mir, da Franca, Regina und Benjamin krank in ihren Betten lagen und Anna-Maria das Ehepaar Vieth nach Cusco begleitete, da sie dort ihre Reise zum Machu Picchu fortführen werden. Am Dienstagabend, nach dem Abendbrot, haben wir von den beiden noch viele typisch-deutsche Schokoladentafeln geschenkt bekommen (unter anderem meine Lieblingsschokolade von Lindt ), worüber wir uns wahnsinnig freuten! Richtig cool war auch, dass sie uns den Focus und den Spiegel aus dem Flieger hier gelassen haben, sodass wir noch ein wenig mehr von dem deutschen politischen Geschehen mitbekommen. An diesem Mittwochmorgen verabschiedeten wir Herrn und Frau Vieth fürs Erste, da wir sie am Freitagabend wiedertrafen und mit ihnen in einem kleinen, gemütlichen Restaurant zusammen essen waren.
Der Mittwochmorgen an sich verlief allerdings etwas chaotisch, da auch Florian und ich die Vieths dabei unterstützten, die schweren Koffer zu den Taxen zu bringen und aus diesem Grund mit ein wenig Verzögerung Cecilia beim Backen halfen. An diesem Morgen buken wir zu dritt 728 Brötchen in ungefähr 2 Stunden, was selbst Cecilia als eine stramme Leistung ansah! Da ich ihr erzählte habe, dass mit das spanische Wort „rapido“ (dt. schnell) gefällt, fand sie sofort eine große Freude daran, es mir im Sekundentakt zuzurufen, was die Arbeit jedoch an sich auch schneller vorangingen ließ.

 

Am Donnerstagmorgen war ich das erste Mal in dieser Woche arbeitend auf der Chacra, nachdem ich am Montag den Rundgang mit Herrn und Frau Vieth getätigt habe, am Dienstag Feiertag war und am Mittwoch Brötchenbacken auf dem Tagesplan stand. (Wie ihr im weiteren Verlauf des Textes erfahren werdet, arbeitete auch am Freitag niemand in den Gewächshäusern) Glücklicherweise war es nicht besonders heiß, jedoch brachte uns die Aufgabe 144 Löcher in den Boden zu graben, sehr zum Schwitzen, wobei man ehrlicherweise dazu sagen muss, dass Romolo mindestens achtzig dieser Löcher grub. Während er mit dem fünften Loch zu Gange war, stellte ich im Prinzip das erste fertig, was zwar ein wenig deprimierend war, jedoch auch zum schnelleren Arbeiten antrieb. Im Anschluss durften wir wieder eine Menge (zwei Säcke) Mangoldblätter sowie Petersilie, Salat und Rote Beete ernten und zur Albergue fahren. Am diesem Tag mussten wir auch das Essen für uns selbst zubereiten – die Schwestern hatten den größten Teil schon vorbereitet – da sie selbst (außer Hermana Polly) an einer Réunion teilnehmen mussten, sodass sie zu Mittag auswärts aßen. Schön war es, zusammen mit Polly am Tisch zu Mittag zu essen, sodass wir uns eine Weile mit ihr buchstäblich über Gott und die Welt sprachen. Unter anderem berichtete sie uns, wie sie sich dazu entschied, in dem Schwesternorden einzutreten: „Am Anfang gefiel mir die Kleidung ziemlich gut und dann wollte ich wissen, ob ich auch mit dem Lebensstil zurechtkomme!“. Dieser Satz ist wohl einer der Sätze, die ich so schnell nicht mehr vergessen werde. Mit Polly verstehen wir uns alle wirklich wahnsinnig gut, sie hat einen tollen Draht zu den Kindern und zur Musik, macht sehr viel Quatsch mit uns und wir lachen sehr viel miteinander und freundschaftlich übereinander.


Außerdem darf ich an dieser Stelle die freudige Botschaft überbringen: Die Katzenbabys sind da! Obwohl uns vier Katzenbabys versprochen wurden und stattdessen nur zwei geboren wurden, freuen wir uns über den niedlichen Zuwachs sehr!

 

Am Nachmittag stand der Tag wieder einmal Kopf, da drei Viertel der Kinder sich bereits auf den Heimweg gemacht haben, da am Freitag der Unterricht erneut ausfiel. Also machten wir nur mit den Kleinsten Mathe und Deutschhausaufgaben und spielten mit ihnen eine Weile, während die anderen wieder Musik machten. Die Kinder lieben es zu puzzeln, auch wenn die meisten das Handwerk nicht wirklich beherrschen. Die Grundregeln, die die Angelegenheit um einiges einfacher werden lässt, zuerst den Rand fertig zu stellen, ignorieren die Kleinen gekonnt, sodass man das ein oder andere Mal an seine Grenzen stößt. Nach 2 ½ Stunden Hausaufgabenbetreuung und Kinderbelustigung, aßen wir in der Küche eine Suppe, quatschten noch ein wenig über die ein oder andere Sache, ich besuchte nach längerer Zeit einmal das Internetcafé und fiel anschließend in mein Bettchen.

 

Am Freitagmorgen um 10 Uhr fand die Primiz eines neuen Priesters im Nachbardorf Ttio statt, sodass Franca und Regina die Aufgaben zu Teil wurden, dort mit ihrer Geige und ihrem Piano die Messe zu begleiten. Nach einem hektischen Morgen, da wir eigentlich zusätzlich vor dem Gottesdienst unsere Wäsche waschen wollten, fuhren wir mit dem Pastor Quiquijanas in den Nachbarort Ttio. Die Fahrt war schon sehr lustig, da uns der Pater versuchte auf Deutsch zu erklären, warum wir heute in dieses Dorf fahren. Nachdem wir das Verb „haben“ einmal komplett durchkonjugiert hatten, Schwester Cecilia sich auf der Rückbank sehr belustigt fühlte und wir die Feststellung ans Tageslicht brachten, dass das Wort „Messe“ in jeder Sprache sehr ähnlich klingt, kamen wir an einem großen Platz an, auf dem sich schon viele Menschen versammelten. Mit ein wenig Verzögerung – zugebenermaßen nach über einer halben Stunde Wartezeit – begann der Gottesdienst, an dem alleine dreizehn Pastöre teilnahmen. Franca und Regina spielten zusammen mit Hermana Polly sehr schöne Spanische und Quechuanische Lieder, zwei Mädels der Albergue unterstützten dies gesanglich und Sör Nelly verlas einige biblische Impulse. Meist waren sich die Pastöre und Polly nicht einig, wenn die beiden Mädels spielen durften und wann nicht, was die Sache auch hin und wieder sehr lustig werden ließ.

 

Anna-Maria und ich fuhren auch mit dem Hintergedanken zu diesem Gottesdienst, die Messe gesanglich zu untermauern. (Für alle, die meine Gesangkünste kennen: Ich habe selbstverständlich nur den Mund auf und zu gemacht, ohne Töne zu erzeugen, um zu verhindern, dass der Priester seinen ersten Gottesdienst vor einer leeren Kirchen halten muss).
Nach einem schönen, langen Gottesdienst, der nach ungefähr 1 ½ Stunden zu Ende war, gab es ein großes Festmahl für alle Anwesenden. Nach einer reichhaltigen Suppe (durch die ich schon voll und ganz gesättigt war), gab es für jeden ein großes Stück Schweinefleisch, viele Kartoffeln und ein gutes Stück Brot. Und mit groß meine ich riesengroß! Als wir das Stück Fleisch auf unserem Teller sahen, haben wir offensichtlich so große Augen gemacht, dass uns die Psychologin der Albergue, Rosa, die uns gegenüber saß, richtig ausgelacht hat. Nach einem Schnaps, der sich gewaschen hatte und einigen langen, jedoch auch lustigen Gesprächen fuhren wir wieder zurück nach Quiquijana: Auch das war wieder eine heikle Angelegenheit, da wir zu acht auf der Ladefläche des Jeeps Platz nahmen, wobei dort ebenfalls Pollys Gitarre, das E-Piano von Franca und sonst einige Kleinigkeiten verstaut waren, sodass ich bei jeder Kurve Angst hatte, einen Rückwärtssalto auf die Straße zu machen, da ich nur auf der Kante des Jeeps sitzen konnte, der Wind mir ins Gesicht blas und einige Tränen durch die hohe Reibung flossen. Allerdings heile am Schwesternhaus angekommen, wuschen wir noch ratzfatz unsere Wäsche, die wir am Morgen nicht mehr bewältigen konnten, putzten im Schnelldurchlauf unser Zimmer, sodass wir uns um halb vier wieder auf den Rückweg nach Cusco zu unserer lieben Gastfamilie machten. Um acht Uhr trafen wir dann noch einmal das Ehepaar aus Deutschland zum gemeinsamen Essen und ließen den Abend fröhlich ausklingen.

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