Endgegner: Unkraut und der Geburtstag der Kinder

Da es dieses Mal nichts von unserem sehr unspektakulären Wochenende zu berichten gibt, meine lieben Leser, möchte ich dieses Mal vorab von einer typisch südamerikanischen und doch auch peruanisch geprägten Busfahrt von Cusco nach Quiquijana erzählen.
Nachdem wir uns wie an jedem Sonntagnachmittag/ -abend von unserer Gastfamilie mit einem Taxi für wenig Geld zur Busstation bringen ließen, kaufen wir vor Ort ein Ticket für je 5 Soles (1,30 Euro), wodurch uns auch ein Sitzplatz in dem mehr oder minder bequemen Bus gesichert wird. Mit diesem Ticket in der Hand steigt man anschließend in den meist schon überfüllten Bus, wartet jedoch noch einen kurzen Augenblick bis der Bus auch wirklich proppenvoll ist. Ist dies der Fall fährt der Bus los und passiert viele kleine Orte der peruanischen Hochanden. Hie und da steigen Menschen aus, wobei zeitgleich auch noch viele andere Passagiere neu hinzusteigen. Im Laufe der Fahrt, – wenn man gewiss schon eingeschlafen ist – kommt ein freundlicher Mann vorbei, der dich an Zugfahrten der deutschen Bahn erinnern lässt, da er dein Ticket sehen möchte und dich nicht unbedingt liebevoll aus deinen Träumen reißt.
Besonders lustig ist der Halt in einem Dorf namens Urcos: Da in diesem kleinen, beschaubaren Ort jeden Sonntag ein großer Markt stattfindet, rennen viele Verkäufer und Verkäuferinnen auf den eintreffenden Bus zu und versuchen ihr Teigwaren, Getränke, Eis oder ähnliches an die müden Businsassen zu verkaufen – Und tatsächlich hat immer mindestens ein/e Verkäufer/in Glück und reicht die Ware durch die offene Fensterscheibe in den Bus. Kurz bevor unsere Crew den Bus verlässt, weist ein freundlicher Mann mit hoher Stimme darauf hin, dass wir auch wirklich da sind. Falls man noch nicht durch die vielen Erhebungen auf der Straße geweckt wurde, ist man spätestens durch das laute „Quiquijana, Quiquijana“! Auf den Straßen unseres Wohnortes angekommen, treffen wir hin und wieder noch einige Kinder, ältere Frauen und arbeitende Männer, die uns alle eine „Buenas Noches“ / „Gute Nacht“ wünschen.

 

Montag, 21. Oktober 2013

Obwohl wir wahrscheinlich auch ohne den heutigen Vormittag den Titel „Die verrücktesten Freiwilligen aus Deutschland“ verliehen bekommen hätten, haben wir unserem Grad der Verrücktheit ein i – Tüpfelchen aufgesetzt. Da uns Juana und Pavela eingeräumt haben, die Chacra an diesem Vormittag eine Stunde früher zu verlassen, sind wir sechs zusammen mit Romolo zum nahegelegenen Fluss gewandert, um dort schwimmen zu gehen! In voller Montur (zugebenermaßen haben wir uns vorher Schuhe und Socken ausgezogen) sprangen wir in den wirklich richtig, richtig kalten Fluss, der nebenbei erwähnt in den Amazonas im Norden des Landes mündet. Meine Hose, die anschließend selbstverständlich klitschnass war, klebte am ganzen Körper. Dennoch würde ich diese Aktion hundertprozentig noch einmal wiederholen – vielleicht denke ich dann nur an Wechselkleidung!
Dass Peru wirklich durch sehr wechselhaftes Wetter auffallen kann, durften wir besonders heute erfahren: Während des Schwimmens habe ich mir doch allen Ernstes einen Sonnenbrand eingefangen und keine zwei Stunden später (während des Mittagessens), regnete und hagelte es in Strömen! Wirklich unfassbar!
In der Hausaufgabenbetreuung half ich meinen Kids bei der Anfertigung ihrer Mathematikhausaufgaben, wobei ich zuerst einmal sehr lange in meinem mathematischen Hinterkopf kramen musste, wie man denn beispielsweise den Mittelpunkt eines Dreieckes bestimmen kann. Dies war einerseits ziemlich lustig, aber auch anstrengend, da meine Gruppe heute irgendwie einen riesengroßen Clown gefrühstückt hat. Zu dieser Zeit erfuhr ich allerdings auch von einer Mitschülerin, dass eine Jugendliche zusammen mit ihrer Schwester nicht mehr in die Albergue zurückkehren wird, was ich absolut nicht verstehen kann. Die Große hatte wirklich Talent und war schlau, hätte den Worten Pavelas nach zu urteilen sogar die Möglichkeit einen Studienplatz zu bekommen, gehabt. Das Skurrile an der ganzen Sache ist allerdings besonders, dass drei weitere Kinder dieser Familie noch bei uns wohnen, denen nach wie vor die Option zur Schule zu gehen, nicht genommen wird!

 

Dienstag, 22. Oktober 2013

Der Dienstagmorgen war wirklich ein sehr verregneter und hässlicher Morgen. Wie ich bereits schon einmal erwähnt habe, fängt zurzeit die Regenzeit in Peru an, während in Deutschland der Herbst einsetzt und die Bäume ihre Farbenpracht präsentieren. Momentan ist es für uns unmöglich, das Haus ohne eine Jacke unter dem Arm zu haben, zu verlassen. Obwohl gerade in dem Augenblick noch die Sonne scheint und du dich ärgerst, dass du dich nicht mit Sonnencreme eingecremt hast, regnet oder hagelt es im nächsten Augenblick. Einmal, es war vor zwei oder drei Wochen, hagelte es sogar so stark, dass die Decke in Lilis frisch renovierten Hauses in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Nachdem wir dann heute in den sehr kühlen Gewächshäusern Löcher mit Dünger gefüllt und die Beete von Unkraut befreit haben, gingen wir im Nieselregen zur zum Schwesternhaus. Viele LKWs, die Richtung Sicuani unterwegs waren, spritzten mich zusätzlich nass, sodass ich im Endeffekt klitschnass und eiskalt war. Leider hatte die Sonne am heutigen Tage auch so wenig Kraft, sodass das Wasser unter der Dusche nicht zum Aufwärmen meines Körpers beitragen konnte. Zudem erfuhren wir die Tage, dass wir für Freitag (am Geburtstag der Kinder) einige Tänze einstudieren sollen, weil sich das die Kinder, die für dieses Fest schon fleißig üben, so gewünscht haben. Ich bin sehr gespannt, was das wird! Da meine Kids der Hausaufgabenbetreuung heute wieder nahezu alle die Erlaubnis bekamen, mit anderen Kindern, die nicht in der Albergue leben, in Gruppenarbeit außerhalb der Albergue zu arbeiten, hatte ich heute das Vergnügen mit nur vier Kindern meiner Gruppe. Ziemlich tiefenentspannt arbeitete ich zusammen mit zwei Mädels ihre Englischhausaufgaben ab, die allerdings wieder einmal nur „unterrichtet“ (enseñame!) werden wollten, anstatt wirklich nach zu denken. Als ich also die Frage stellte, was beispielsweise „house“ auf Spanisch bedeutet, schüttelten sie ohne zu Zögern den Kopf und warteten gebannt darauf, dass ich ihnen die Antwort vorsage, anstatt das Wörterbuch zu ihrer rechten zu benutzen. Da ich dieses Spielchen aber nicht mehr mitspiele und sie die Wörter nachschlagen ließ, war ich sofort wieder ein böses Mädchen, das ihnen nicht helfen möchte. Dieses Mal endete die Hausaufgabenbetreuung wieder schon um fünf Uhr, da Pavela alle Mädchen zusammenrief, um über ihre Worte, die sie verwenden, zu sprechen. Nachdem ich wieder einige Vokabeln gelernt und zu Abend gegessen hatte, stand auf dem Programm mit den Kleinsten einen Film über Disneys Weihnachtsgeschichte zu schauen.

 

Am Mittwoch, 23. Oktober 2013

wurde das Ritual mittwochs Brot zu backen, ausgeweitet. Denn an diesem Mittwoch gab es wieder einmal eine Besonderheit: Die drei, die backen durften (Anna-Maria, Franca und Florian) buken neben den rund 700 Brötchen auch Kuchen, die für Freitagnachmittag angedacht sind. Regina und ich machten uns allerdings wie gewohnt auf den Weg zur Chacra, wobei wir in den Gewächshäusern wieder Bohnen zurückschnitten, ernteten und Unkraut jäteten. Außerdem erfuhren wir von Pavela und Juana, dass der Hagel in der letzten Woche viele Maispflanzen zerstört hat, sodass beispielsweise einige Blätter in mehrere Teile geteilt wurden. Wahrscheinlich dürfen wir aus diesem Grund erneut jede Pflanze düngen, indem wir den noch flüssigen Kot von der Kuh mit Wasser verdünnen und mit einer Tasse jede Pflanze beträufeln. Ich sag euch, liebe Leute, da kommt Freude auf! Nach getaner Arbeit auf der Chacra, schaute ich noch den anderen über die Schulter, die in Massen Torten buken; verabschiedete mich allerdings nach einigen Minuten, um mich von der nassen Erde der Chacra zu befreien. Nach dem Mittagessen wurde mir allerdings wieder richtig schlecht, sodass ich mich auch wieder einmal übergeben musste. Aus diesem Grund fiel für mich die Hausaufgabenbetreuung aus, da ich versuchte durch heißen Tee gesünder zu werden. Abends unterrichtete ich allerdings zusammen mit Franca die Großen in Englisch, wobei wir erneut das englische Alphabet wiederholten und zudem Hefte austeilten, in die sie all unsere Tafelbilder abschreiben sollen. Nachdem sie ordentlich das Alphabet aufgezeichnet hatten und in Lautschrift die Aussprache aufschrieben, gaben wir ihnen die Erlaubnis die erste Seite zu bemalen und ein Titelbild zu erstellen. Es ist wahnsinnig schön zu sehen, wie kreativ die Kinder sind! Allerdings auch wie sehr sie an „Ritualen“ festhalten: So hat sich ein Junge partout dagegen gewehrt, die ersten Seiten zu beschriften, da diese heilig seien und man sie aus diesem Grund nicht berühren dürfte. In all ihren Schulheften sind die ersten Seiten dafür reserviert, die peruanische Nationalhymne sowie die Hymne von Cusco ordentlich aufzuschreiben sowie eine Lobpreisung an die Lehrerin und dem Versprechen, dass sie ihr stets gehorchen werden. Ich weiß noch nicht genau, was ich genau davon halten soll. Ein anderer Junge schrieb in Rot auf die erste Seite: „Ich liebe die Einrichtung, durch die ich lernen und jeden Tag etwas zu essen bekomme“. Als ich dies las, musste ich auch erst einmal schlucken und mir überlegen, ob ich diese Aussage als gut betiteln soll.

 

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Noch zwei Monate, dann ist Weihnachten!
Nachdem sich die Annahme, heute die Torten, die gestern begonnen wurden, fertigzustellen und zu verzieren, nicht bewahrheitete, ging ich zusammen mit Anna-Maria und Florian auf die Chacra, um dem Unkraut an den Kragen zu gehen. Man weiß genau: Dürfen wir Unkraut jäten, gibt es keine andere Aufgabe mehr für uns, sodass die Lust nicht sehr groß ist, das nervige Kraut in den Tod zu stürzen. Die eine Seite des zweiten Gewächshauses habe ich allerdings trotz alledem von ihm befreit, was jedoch nicht eine sehr saubere Angelegenheit war, da die Erde momentan sehr nass und glibberig ist. Da es zurzeit hin und wieder in Strömen regnet und die Wände des Gewächshauses nicht an jeder Stelle dicht sind, bekommt die Erde einen Extraschub Wasser ab. Zudem wurde die Arbeit dadurch erschwert, dass wir alleine mit unseren Händen arbeiten mussten, da Juana den Schlüssel des Geräteschuppens verlegt hat, sodass uns der Zugang zu den Spitzhacken verwehrt blieb.
Nachmittags wandelte sich der Tag allerdings zu einem Tag zu, der mir sehr gefallen hat: Nachdem ich zusammen mit Schwester Polly und Anna-Maria die Torten verziert habe und eine Cremefüllung für die Torte zubereitet hatte, probten meine Kollegen für den morgigen Tanz, an dem Benni und ich nicht teilnehmen werden. Zuzusehen hat aber auch wahnsinnig viel Spaß gemacht, sodass die Vorfreude auf den Geburtstag der Kinder stieg. Am Abend durfte ich zusammen mit Regina die kleineren Jugendlichen in Englisch unterrichten, was sehr gut geklappt hat. Nachdem wir mit ihnen erneut „(to) be“ besprochen hatten und mit ihnen die Begrüßungen der englischen Sprache wiederholten, durften sie es in ihre Hefte übertragen. Dabei hatten selbst die Jungs große Freude und verzierten neben der eigentlichen Verb-Tabelle die Seite aufwendig mit Engeln, Blumen oder bunten Federn. Richtig schön!
Im Anschluss fiel ich jedoch schon in mein Bett, in der Gewissheit, dass mit dem morgigen Geburtstag der Kinder ein anstrengender Tag bevorsteht.

Am Freitag, 25. Oktober 2013
ging ich alleine mit Franca und Regina auf die Chacra, auf der uns keine Juana erwartete, sodass wir erneut selbst Initiative zeigten, indem wir uns den Mangoldfeldern sowie unserem lieben Freund, dem Unkraut widmeten. Während sich Franca und Regina noch einmal jedem einzelnen Blatt der Mangoldpflanzen beschäftigten und sie anschließend an die Kuh verfütterten, riss ich dem unlieben Kraut hinterhältig den Kopf ab, sodass es sich hoffentlich sehr lange nicht mehr traut ans Tageslicht zu treten. Im Vergleich zu den letzten Tagen war es heute unwahrscheinlich heiß, sodass ich sogar hin und wieder mit meinem Kreislauf Probleme hatte. Es ist einfach unfassbar, wie kalt es in den Gewächshäusern war (ohne Pullover bekam man eine Gänsehaut) und wie schrecklich heiß es heute war! Wenn man heute einen Pullover getragen hätte, wäre man zu einer 100%igen Sicherheit einfach umgekippt. Allerdings zwei gute Sachen hat das warme Wetter ja: (1) Es gibt warmes Wasser unter der Dusche und (2) freut sich doch jeder, wenn am Geburtstag der Kinder (Cumpleaños de los Chicos) auch die Sonne scheint. Allerdings fand dieser trotzdem hauptsächlich in dem von uns geschmückten Raum statt. Mit vielen bunten Luftballons, Luftschlangen und Girlanden haben wir in unserer „Mittagspause“ den Raum dekoriert, in dem anschließend viele der Kinder für eine Modenschau liefen und auch zwei Gruppe einen Tanz vorführten, der unter anderem von mir benotet wurde. Obwohl ich mich bei der Punktevergabe ein wenig schwer getan habe, da sich wirklich alle Kinder sehr viel Mühe gaben (okay, ein/ zwei Ausnahmen gibt es immer), bin ich doch mit den Platzierungen durchaus zufrieden. Auch die Kinder machten einen glücklichen Eindruck, als wir im Anschluss die Feier in den Essensraum verlegten, in dem es unsere sehr süßen, aber sehr leckeren Torten gab. Auch wir bekamen ein großzügiges Stück ab, tranken dazu Limo sowie Cola und die Schwestern verteilten an alle Kindern noch ein paar Kekse. Besonders spannend für die Kinder und Jugendlichen war natürlich die Vergabe der Geschenke, die an alle Kinder, die in den Monaten Juli bis Dezember Geburtstag haben, verteilt wurden. Neben vielen Kosmetikartikeln wie Shampoo, Zahnpasta oder einer Zahnbürste gab es für jedes Kind außerdem noch ein T-Shirt und andere, kleine, liebevolle Aufmerksamkeiten. Nachdem alle Kinder reich beschenkt wurden, bekamen auch wir Freiwilligen ein kleines Präsent, womit wir wirklich nicht gerechnet hätten! Sowohl Franca, Benjamin und ich bekamen einen Hartseife sowie eine große Shampoo-Flasche, wie auch Regina, Anna-Maria und Florian, die gar nicht in den Monaten Juli bis Dezember Geburtstag haben. Auf jeden Fall haben wir uns wirklich riesig gefreut, was wir auch den Schwestern durch ein großes Dankeschön und ein Umarmung zum Ausdruck brachten. (Wenn ich dieses Geschenk nicht bekommen hätte, hätte ich am Wochenende Shampoo kaufen müssen)
Zudem zeigte sich an diesem Tag erneut, dass Peru das Land des vielen Essens und nicht Dickwerdens ist: Denn kaum waren die vier Torten ohne weiteres verdrückt, gab es zum Abendbrot einen großen Teller Milchreis mit einer sehr, sehr süßen Soße, die aus Chicha Morada bestand. Danach tanzten wir mit den Kindern noch ein bisschen auf dem Hof, um anschließend Richtung Schwesternhaus zu gehen, unsere Taschen zu packen, damit wir heute morgen um 6 Uhr in der Früh ins Taxi steigen konnten.

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