Eine "normale" Woche in Quiquijana - aber was heißt schon normal?

Hallo ihr Lieben,

 

schon wieder melde ich mich aus dem Andenhochland, um euch von meiner vergangenen Woche und vor allem auch von meinem langen Wochenende in Cusco zu erzählen. Damit möchte ich auch gleich anfangen: Da am Freitag ein wichtiger Feiertag (Allerheiligen) war, fuhren wir bereits am Donnerstagnachmittag zurück zu unserer Gastfamilie, um ein verlängertes Wochenende in der Inkahauptstadt zu verbringen.


Als wir Mädels am Donnerstagabend zusammen Pizza essen waren, konnten wir einige Kinder beobachten, die wild verkleidet, die Straßen unsicher machten. In Deutschland konnte ich mich ja noch nie mit dem Fest „Halloween“ anfreunden, da jedoch hier sogar die Kinder Autos anhalten und um Süßigkeiten bitten, verschlug es mir die Sprache. Ich jedoch musste absolut nicht um Süßigkeiten schnorren, da ich an diesem Wochenende endlich das langersehnte Paket meiner Großeltern im Empfang nehmen konnte. Auch hier noch einmal, vielen lieben Dank!


Am Freitag hatten, obwohl Allerheiligen als ein sehr wichtiger Feiertag angesehen wird, fast alle Geschäfte – auf jeden Fall bis zur Mittagszeit – geöffnet. So schlenderte ich ein wenig durch die Straßen, entdeckte eine schöne Laufstrecke, die ich am nächsten Wochenende ausprobieren möchte und setzte mich in ein Restaurant, um eine Kleinigkeit zu essen, sowie ein Buch, das man sich dort ausleihen konnte, zu lesen. Meine Gastmutter Lili erzählte mir, dass es in Peru nicht unbedingt üblich ist, an Allerheiligen in die Kirche zu gehen, allerdings seien sehr viele Menschen auf dem Friedhof bei ihren verstorbenen Freunden und Verwandten.


Als ich einmal zusammen mit ihr und ihrer Tochter Fiorella (die in Arequipa studiert) den Friedhof besucht habe, durfte ich in eine ganz andere Kultur eintauchen, die mir jedoch sehr gut gefiel. Anstatt dass es auf diesem Friedhof vorgesehen ist, zu schweigen und die Ruhe zu suchen, saßen viele Menschen mit einem Picknickkorb vor den Gräbern und aßen Dinge, die sie mit dem Verstorbenen in Verbindung bringen und unterhielten sich dabei fröhlich. Zudem wird das Grab des Verstorbenen drei Mal mit Wasser begossen und bei jeder Wiederholung ein Vater Unser sowie ein Ave Maria gebetet, wenn ich mich recht erinnere.


Am Samstag war ich nur schnell bei der Post und einkaufen, um anschließend mir wieder leckere Nudeln zu kochen. In der Zwischenzeit tauschten Anna-Maria und Regina ihre Zimmer, sodass Regina ab diesem Wochenende im Einzelzimmer schlafen wird und Anna-Maria, Franca und mir Gesellschaft leistet. Von meinem Samstag lässt sich jedoch eigentlich nur viel über den Abend, die Nacht, erzählen, da wir zusammen mit unserer Gastmutter bis in die Nacht Cocktails gemixt und Karaoke gesungen haben. Dabei durften wir unsere Barkeeper-Künste bei einem Pisco Sour austesten und da jeder einmal seine Künste unter Beweis stellen sollte, tranken wir gleich sieben. Mitten in der Nacht überkam uns dann noch der kleine Hunger, sodass wir uns entschlossen, eine kleine Nachtwanderung durch Cusco zu machen. Auf dem Plaza de Armas angekommen, aßen wir alle eine Kleinigkeit, um anschließend sehr müde in unsere weichen Betten zu fallen.


Dass diese Betten wirklich sehr weich und gemütlich an diesem Tag waren, zeigte sich vor allen Dingen dadurch, dass ich bis zwölf Uhr mittags schlief, obwohl ich an den vorherigen Tagen immer bereits um acht Uhr morgens aufgewacht bin und durch das laute Bellen meines Lieblingshundes Cocaine auch nicht mehr einschlafen konnte.


Auch sonntags haben hier in Peru viele Geschäfte geöffnet, sodass ich zusammen mit Regina durch die Straßen lief. Das eigentliche Vorhaben Falafel essen zu gehen, scheiterte jedoch aus dem absurden Grund, dass der Laden doch geschlossen hatte, sodass wir kurzerhand umdisponierten. Ein wenig gestärkt liefen wir jedoch weiter, kauften uns beide je zwei Schals, aßen noch ein Stück Torte und versuchten uns – ebenfalls mehr oder weniger vergeblich – in einem Reisebüro über unsere Ferien im Januar und Februar zu informieren. Nachdem ich dann bei Lili meinen Rucksack für Quiquijana gepackt habe, für die Homepage der Einen-Welt-AG unserer Schule einige Texte geschrieben habe und mich von meinen Gasteltern verabschiedete, traten wir unsere Rückfahrt nach Quiquijana an und hofften auf eine spannende und abwechslungsreiche Woche!

 

Hinsichtlich des Wetters begann die Woche auf jeden Fall wieder sehr abwechslungsreich. Während wir in den Gewächshäusern schufteten und viele Früchte (die Diskussion war groß, ob Tomaten Früchte oder Gemüse sind) und Gemüse wie Mangold, Paprika und Blumenkohl ernteten, schien die Sonne so extrem, dass wir an den Brunnen liefen, um uns Wasser über unsere Köpfe zu schütten. Kaum waren unsere Haare nass, nahm nicht nur die gefühlte Temperatur ab, sondern auch die wahrhaftige: Denn urplötzlich fing es an zu regnen, obwohl der Himmel noch strahlend blau war! Da Juana und Pavela von jetzt auf gleich nicht mehr da waren und wir nicht wussten, welche weiteren Aufgaben anstanden und darüber philosophierten, ob heute wieder eine Reunión stattfindet (da ein neuer Monat begonnen hat) oder nicht, gingen wir mit unserem Geernteten zurück zur Albergue, stellten fest, dass wir uns heute nicht mit den Schwestern zusammensetzen und genossen aus diesem Grund eine sehr wohltunende Dusche! (Für die sich erstmal keine Zeit gefunden hätte, hätte die Reunión stattgefunden.)

 

Jedoch spiegelte das wechselhafte Wetter auch das abwechslungsreiche Projekt wieder, da ich an diesem Montagnachmittag zusammen mit Benjamin keinen Hausaufgabenbetreuung gab, sondern auf der Chacra unseren Jungs über die Schulter schauen durfte. Wenn es um das Arbeiten auf den Feldern geht, packen die Kinder immer sofort mit an, obwohl es an einigen Tagen sehr schweißtreibend sein kann. Richtig schrecklich finde ich es immer, wenn ein Kind gerade Pause machen möchte, aber wenn wir hinsehen, sofort weiterarbeitet, aus Angst, dass wir schimpfen. So war es leider mit einem Jungen an diesem Tag gleich zwei Mal, sodass ich am Ende des Tages ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber hatte.
Nebenbei schnitten wir mit einer kleinen Sense Gras und Kräuter zurück, die an die Meerschweinchen in den nächsten Tagen verfüttert werden. Als ich zurückkam – klitschnass selbstverständlich, da man hier momentan nicht erwarten kann, dass zwei Stunden am Stück die Sonne scheint – war die Hausaufgabenbetreuung auch schon beendet. Zusammen mit Anna-Maria kochte ich mir eine Suppe, da die anderen den Kindern ein Konzert geben wollten. Jedoch verlief das nicht so, wie sich das meine Kollegen gewünscht haben, denn die meisten Kinder hielten sich zwar im „Konzertsaal“ auf, hörten jedoch nicht zu und schlugen sich stattdessen. Im Anschluss gab ich noch zusammen mit Regina den Englischunterricht bei den Größeren, der aber gut verlief. Es mag unter anderem daran liegen, dass wir mit ihnen heute die Farben erneut besprochen haben – Ein Thema, das ihnen mehr oder weniger liegt.
Mittlerweile regnet es seit mehr als fünf Stunden ununterbrochen und dabei ist absolut kein Ende in Sicht: Hoffen wir einmal, dass sich das Wetter bis morgen beruhigt hat, sodass ich nicht schon durchnässt bei der Arbeit auf der Chacra aufkreuze.

 

Am Dienstagmorgen strahlte der Himmel wieder in voller Pracht. Die Maispflanzen haben gefühlt einen richtigen Sprung durch den vielen Regen in der Nacht gemacht, wohingegen die Pflanzen in den Gewächshäusern momentan nahezu eingehen, da das Bewässerungssystem nicht mehr funktioniert. Ganz in der Nähe zu unseren Gewächshäusern wird eine neue Straße gebaut (wobei die Fertigstellung mit Spitzhacken und Schaufeln noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird), sodass wir vor einem ziemlich großen Problem standen. Aus diesem Grund schleppten wir heute von unserem kleinen Brunnen 20 Liter Eimer Wasser zu den Gewächshäusern und schütteten je ungefähr 500 ml (zwei Tassen) an jede Pflanze. Bei einer ungefähren Fläche von 1000 m² könnt ihr euch vielleicht bildlich vorstellen, wie viele Eimer Wasser wir benötigten und wie sehr die Kräfte unserer Oberarme schwanden, als wir immer wieder den „weiten Weg“ (der in Wahrheit nicht länger als 150 m beträgt) laufen mussten. Um uns jedoch ein wenig zu entlasten, konstruierten Juana und Pavela ein Wasserleitsystem vom Brunnen zu den Gewächshäusern, sodass immer nur einer bei den Eimern sitzen musste, um sie zu befüllen und zwei weitere Personen beansprucht wurden, um das Wasser a) aus dem Brunnen zu hieven und b) das Wasser in die Rohre zu schütten. Besonders große Freude hat es gemacht, die Bohnen- und Zucchinipflanzen zu bewässern, da beide eine so große Blüten- sowie Blätterpracht zeigen, dass man nicht unbedingt jede Pflanze ohne Blessuren (sei es an der Pflanze oder an dir) überstand.


Da bei meiner Hausaufgabenbetreuung sowie beim abendlichen Film schauen nichts Besonderes, Erwähnenswertes geschah (wie so oft), werde ich in Zukunft meist die Berichterstattung dieser Themen auslassen – Also nicht wundern, wenn ich nicht darüber schreibe, stattgefunden hat sie ziemlich sicher! (sonst erwähne ich es)

 

Am Mittwochmorgen packte mich dann erneut der Krankheitswicht, der mich dazu verdonnert hat, im Bett liegen zu bleiben. Kopfschmerzen, Schwindel, eine verstopfte Nase und richtig starke Halsschmerzen hielten mich davon ab, der morgendlichen Arbeit auf der Chacra nachzugehen. Während wieder drei Personen von uns Brötchen buken, schufteten Benjamin und Regina in den Gewächshäusern, schnitten Bohnen- und Rote Beete-Pflanzen zurück und ernteten eine Menge - beispielsweise Blumenkohl. Und ich muss zugeben, dass ich am Ende des Jahres der absolute Profi in den Spielen „FreeCell“, „Spidersolitäre“ oder „Solitäre“ sein werde, wenn ich weiterhin so oft krank bin oder ich nicht einen Geistesblitz bekomme, wie ich meine Mittagspausen anders gestalten kann.

Erst zur Hausaufgabenbetreuung konnte man wieder nach meiner Person verlangen, während ich zum siebten Mal das gleiche Arbeitsblatt in Englisch bearbeiten durfte, in dem es darum geht, englische Freizeitbeschäftigungen in einem Suchfeld zu finden. Schon in der Schule konnte ich es nicht leiden, wenn Wörter sträwkcür in diesen Feldern versteckt sind, geschweige denn rückwärts und diagonal. Aber das war meine Aufgabe und ich musste mich bei der letzten Schülerin, der ich half, in Acht nehmen, ihr nicht alles ausnahmslos vorzusagen, da ich genau wusste, wo welches Wort steht. Der offizielle Unterricht hat an diesem Abend auch wirklich großen Spaß gemacht. Vor längerer Zeit haben wir ein Plakat entworfen, auf dem die Fragen festgehalten wurden, die dazu dienen, die eigene Person vorzustellen. Fragen wie „Wie heißt du?“, „Wo kommst du her?“, „Wie alt bist du“ oder „Wie geht es dir?“ haben wir dadurch noch ein zweites Mal besprochen und baten, die Kinder im Anschluss es in ihre Hefte zu übertragen. Wussten sie zum Beispiel nicht, was „glücklich“ oder „krank“ auf Englisch heißt, spielten wir mit ihnen Galgenmännchen. Dadurch, dass die Kinder das Wort aus diesem Grund immer wieder lesen und mitfiebern, ob der nächste genannte Buchstabe im Wort vorkommt, erhoffen wir uns, dass sich die Schüler dieses Wort merken. Warten wir einmal ab, ob sich Fortschritte zeigen.

 

Am Donnerstagmorgen hieß es den restlichen, überflüssigen Rote Beete Blättern an den Kragen zu gehen und das Ausmaß der Zucchinipflanzen sowie des Kohls zu verringern, indem wir viele Blätter zurückschnitten. (Vielleicht ist es bei der ein oder anderen Kohlpflanzen zu viel des Guten gewesen!)

 

Besonders als ich heute zum tausendsten Mal den Weg vom Schwesternhaus zur Albergue bzw. zu den Gewächshäusern entlang gegangen bin, fiel mir auf, was für eine große Baustelle Quiquijana momentan eigentlich ist. Natürlich habe ich heute nicht zum ersten Mal bemerkt, dass zurzeit die alte, große Kirche renoviert und die große Markthalle neu errichtet wird oder zwei Straßen momentan mit Spitzhacken und Schaufeln gebaut werden. Allerdings bekommen im Moment einige Familienhäuser (bzw. bekamen in den letzten Wochen) einen neuen Anstrich, wodurch Teile des Ortes schon in einem ganz anderen Licht erstrahlen. Jedoch bemerkte ich besonders heute, dass anstatt eine Baustelle beendet wird, immer wieder neue Dinge dazukommen, die zu bearbeiten sind. So wurde  beispielsweise mit den Renovierungsarbeiten der Kirche bereits im Jahre 2007 begonnen. (Unser Gottesdienst mit den kleinen Kindern findet immer in einer ganz kleinen Kapelle statt. Minimal größer als die St. Josefs Kapelle in Altmyhl, obwohl die Stadt Quiquijana eine große Kirche in der Nähe des Plaza de Armas zu bieten hätte). Wenn wir durch die Straßen laufen und die Menschen grüßen, die gerade diese harte Arbeit verrichten, merkt man hin und wieder, wie sehr sie sich über diesen freundlichen Gruß freuen. Denn beispielsweise die Frauen, die jeden Tag mit einem Triciclo durch die Straßen fahren und den Müll der Menschen aufsammeln, werden nur selten bis gar nicht gegrüßt. Das Lächeln, was uns erwidert wird, lässt mein Herz immer nochmal ein kleines Stück weiter aufgehen. Andererseits habe ich das Gefühl, dass die Bewohner der kleinen Stadt ihre Freundlichkeit mit der Zeit ein wenig uns gegenüber ablehnen, denn statt dem liebevollen „Chau, Amor“ hört man von Jugendlichen mittlerweile viel häufiger „Gringa“, was so viel bedeutet wie „die weiße Ausländerin da“. Auch wenn mein Reiseführer mir verspricht, dass diese Aussage nicht negativ gemeint ist, fühlt es sich schon ein wenig befremdlich und diskriminierend an, wenn aus einer kleinen Gasse solche Rufe kommen.

 

Für die, die mir bevor ich nach Peru gegangen bin, gesagt haben, ich sei doch viel zu dünn (und auch an die, die mich per Email bitten mehr Torten zu essen, weil ich zu dünn sei): Heute Morgen unterhielten sich Anna-Maria und ich mich mit Pavela über unsere Hautveränderungen. Da Anna-Maria, seitdem wir hier in Peru sind, das zweite Gerstenkorn plagt, durfte sie schon allerhand Tricks von Pavela und Juana ausprobieren: Angefangen von warmem Meerschweinchenkot bis hin zur Inhalation von heißem Wasser. Pavela fand die Erklärung für diese Hautveränderung in der Nahrung, die wir hier zu uns nehmen. Plötzlich fragte Pavela auch mich, ob ich irgendwelche Probleme hätte. Und auf meine Antwort „Nein, es ist alles in Ordnung“, erwiderte sie ohne zu Zögern, allerdings mit lautem Lachen: „Kein Wunder, du hast hier ja auch schon zugenommen!“. Liebe Leute, macht euch also bitte keine Sorgen. Solange mir am Ende meines Jahres noch meine Hosen passen, ist alles im dunkelgrünen Bereich.

 

Freitags ist bekanntermaßen Wasch- und Putztag. Ein wenig zurückerinnert an Erzählungen meiner Großmutter, als man zu gewissen Zeiten nur an bestimmten Tagen baden und waschen durfte, putzten wir auch wieder an diesem Freitag unser Zimmer blitzeblank und wuschen dabei unzählige Waschmaschinen Wäsche. Große Freude bereitete das Putzen unseres Zimmer an diesem Tag: Da unser Wasserkocher nach und nach immer mehr den Geist aufgab und es begann aus der Steckdose zu qualmen, entschlossen wir uns dazu, in Pavelas Küche Waser aufzukochen. Leider Gottes dauerte dies aber wahnsinnig lange, sodass ich mich gefühlte Stunden in ihrer Küche aufhielt. Und das obwohl die Siedetemperatur bei 85°C liegt! ;-)

 

Nachdem wir wieder einmal mit großer Freude und sehr viel Wasser den Essensraum der Kinder geputzt und mit dem ein oder anderen Kind, das auch am Wochenende in der Albergue wohnt, die Hausuaufgaben besprochen haben, fuhren wir um vier Uhr zurück nach Cusco. Hier ist es wieder sehr kalt, aber ich freue mich am Wochenende mit dem ein oder anderen skypen und schreiben zu können, sowie einige Dinge zu erledigen, die in Quiquijana nicht möglich sind.

 

Herzlichste Grüße aus dem Andenhochland,

an meine Freunde und Familie: Weckt für mich den Hoppeditz ordentlich auf! :) Lieber Klaus und liebe Heike: Ich wünsche euch eine fabelhafte Session! Ich finde es wirklich schade, nicht dabei sein zu können! Einen lieben Gruß aus den Anden!

Eure Anna! ♥

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