Ostern in den Anden. ♥

Liebe Leute,

 

nachdem die vorletzte Woche doch eher sehr ruhig vorüberzog, in der nur der Freitagvormittag durch Extraaufgaben aus der Reihe fiel, begann der Montagmorgen (07.04) der letzten Woche schon viel versprechend abwechslungsreich. Erst musste ich mich wieder daran gewöhnen, unten im Schwesternhaus zu schlafen; nicht mehr neben Franca, sondern neben Regina aufzuwachen und dann daran, dass der Weg zur Chacra nun wieder um einiges länger ist, als zuvor. Dort angekommen haben wir wieder einige Löcher mit Dünger geschlossen, Mangold gesäubert und einige Blätter geerntet.

 

Außerdem bekommen wir seit dieser Woche Unterstützung auf der Chacra von einem Jungen, dessen Studium doch erst in einem Monat beginnt (da für die ärmeren Studenten des Landes einfach mal ein Monat gestrichen wird und die Schwestern nicht so viel Geld aufbringen können); haben am Mittwochvormittag 895 Brote gebacken; sind im Englischunterricht wieder erneut verzweifelt; am Montag- und Dienstagabend in der Messe gewesen und im Anschluss Choclo (große Maiskolben) mit dem Pastor gegessen.

 

Auch haben wir uns noch am Montagvormittag mit Pavela zusammengesetzt, um über unsere Hausaufgabenbetreuung zu sprechen, damit die letzten drei Monate noch reibungslos verlaufen können. Da ich einen Jungen in meiner Gruppe habe, der behauptet, nie Hausaufgaben auf zuhaben – aber auch so „intelligent“ ist, die Hefte, in denen Hausaufgaben zu erledigen sind, in der Schule zu lassen – haben wir beide nun eine Möglichkeit gefunden, ihm auf die Füße zu treten. Bisher wusste ich nämlich nie, dass es noch zwei weitere Schüler in der Albergue gibt, die in der gleichen Klasse sind, da sie in einem anderen Raum zusammen mit Pavela arbeiten.

Am Montagmontag wurde Franca außerdem „Plötzlich Patentante“, da eine Art Nottaufe von der halb jährigen Sheyla Marisol gefeiert wurde, die leider sehr erkrankt ist. Die Eltern hatten somit keine Taufpaten zu ihrer Seite, sodass der Pastor kurzerhand auf Franca gezeigt hat und sie dazu aufforderte, nach vorne zukommen. Auch in der Osternacht wird ihre größere zwei jährige Schwester getauft, bei der entweder Anna-Maria oder ich die ehrenvolle Aufgabe übernehmen dürfen, Patentante fürs Leben zu werden. Dadurch wird sicherlich noch ein weiterer Teil von uns hier in Peru bleiben. Ob ich nun Patentante werde oder nicht, würde ich die Familie im Laufe der letzten Monate gerne einmal in ihrem Heimatdorf Accopata besuchen – Ein armes Nachbarandendörfchen Quiquijanas, durch das wir jeden Sonntag und Freitag mit dem Bus durchfahren.

 

Um noch etwas über den Englischunterricht und meine Hausaufgabenbetreuung zu berichten. Im Moment kann ich einfach nur sagen: Es ist anstrengend. Einerseits erfüllt mich die Arbeit im Moment mehr als sonst und ich bin froh über jede Sekunde, die ich mit meinen süßen Rabauken verbringen kann, andererseits bringen mich im Moment auch die Hausaufgaben der Knirpse um den Verstand. Nicht selten müssen die Kinder in ihren Heften malen und das sind dann so Dinge wie nackte Frauen und Männer im Sozialkundeunterricht, das Verdauungssystem in Biologie, die Kreuzigung Jesu in Religion oder Vikunjas in „Kommunikation“, da eine Geschichte über diese süße Tier handelte – Und wer wird gefragt, diese schöne Dinge für sie zu zeichnen? „ANNA, ayudameeeeeee!“ (Anna, hilf mir!) Und zugebenermaßen, wenn die Kleinen lieb und nett „Bitte“ sagen, lässt sich die liebenswürdige Freiwillige aus Deutschland dazu bereitschlagen.

 

Und schon begann die „Semana Santa“ – Die heilige Osterwoche – die hier im Andenhochland mit besonders viel Programm verbunden ist. Angefangen hat alles am Montagmorgen, an dem ich zusammen mit Florian und Franca 20 kg Brotteig zu Brötchen geformt habe und außerdem ein sehr Mehl, Butter, Fett und Zucker-haltiges Süßgebäck für rund 100 Personen backen durfte. Es machte unheimlich viel Spaß, denn besonders mit der Hilfe Schwester Polis und Cristians geht die Arbeit immer gut von der Hand, sodass wir doch immer recht zügig fertig werden. Nachmittags wurde die Hausaufgabenbetreuung auf nur rund eine Stunde gekürzt, damit alle Kinder der Albergue zusammen mit uns und den Schwestern zuerst die Messe zur Einleitung der heiligen Woche feiern und im Anschluss an einem rund 2 ½ stündigen, aber wundervollen Kreuzweg teilnehmen konnten. Viele starke Männer Quiquijanas wurden der Aufgabe zuteil, das schwere Kreuz auf ihren Schultern zu tragen, viele süße Kinder liefen mit Kerzen in der Hand andächtig mit, sieben Kinder unserer Albergue durften die Messe dienen, an jeder Station standen Männer und Frauen mit Blumen, die sie Jesus entgegenwarfen und ihn mit Weihrauch verehrten. Anders als ich es bisher kannte, wurden einfache Pfannen für den Weihrauch verwendet, anstatt große, veredelte, teure Weihrauchfässer. Wieder etwas, was mich schwer beeindruckt hat, wie man aus einfachen Dingen Großes zaubern kann. Auch wenn sich dieser Kreuzweg wirklich sehr in die Länge zog, bin ich sehr froh daran teilgenommen zu haben und zu sehen, wie auch andere Nationen einem solchen Tag/ einer solchen Woche entgegensehen.

 

Auch der Dienstagvormittag begann nicht alltagsgemäß, da zu Beginn Anna-Maria und Franca schon einmal in der Albergue blieben, um zusammen mit Schwester Poli den Saal für Ostern zu schmücken. Aber auch die übrigen bekamen ein schöne Aufgabe: Da wir im Moment kein Wasser auf der Chacra haben, sind wir erneut zu unserer Wasserquelle am Fluss gelaufen, an der zurzeit der Brückenbau im vollen Gange ist. Aber genau aus diesem Grund konnten wir nicht viel mit unseren Schaufeln bezwecken, da dort rund zehn Männer standen, in ihrem Element vertieft, sodass wir direkt nach der Ankunft wieder den halbstündigen Weg zurück zur Chacra gelaufen sind. Dort haben wir noch schnell einen vollen Sack Bohnen für die Suppe geerntet, geduscht und zum Mittagessen gegangen. Ich habe um ein Uhr Nataly (unser einziges Kindergartenkind) vom Kindergarten abgeholt, auf dem Rückweg ihren rund achtzehn jährigen Bruder kennengelernt, der wohl auch in Quiquijana lebt und danach mich innerlich auf das Programm des Nachmittags eingestimmt. Denn auch an diesem sonnigen Nachmittag gab es nur eine verkürzte Hausaufgabenbetreuung, da sich die Schwestern ein tolles Programm für die heilige Osterwoche ausgedacht haben. Begonnen hat der Nachmittag mit einem Weg, der schwierig zu belaufen war, da viele große Steine das Entlanglaufen erschwerten. Selbstverständlich sollte  der Weg unser Leben symbolisieren und die Steine unsere Fehler, die unseren Lebensweg hier und da nicht einfach gestalten. Viele Kinder sind diesen Weg einen Text vorlesend gegangen und haben an jeden Stein ihre Bitte an Jesus vorgetragen. Nachdem alle Texte verlesen worden waren, trat Florian – verkleidet als Jesus – hervor, der ein großes Herz in der Hand hielt „Ich bin Jesus, der euch alle liebt!“. Auch er lief den Weg entlang, stolperte über den ein oder anderen Stein und im Endeffekt ist glaube ich für jeden deutlich geworden, dass uns Jesus trotz unsere Fehler liebt.

 

Im Anschluss wurden unsere 72 Kinder in zwei Gruppen eingeteilt: Die erste sah bei einem Rollenspiel über das letzte Abendmahl zu, bei dem Florian wieder Jesus darstellte und 12 unserer Kinder die Aufgaben der Jünger übernahmen. Dabei durften alle Kinder auch Wein trinken (in unserem Falle Chica morada) und Brot essen. Die zweite Gruppe sah einen Ausschnitt der Passion Jesu Christi. Danach halfen wir noch einigen Kindern bei ihren Hausaufgaben und mussten glücklicherweise wieder keinen Unterricht geben, da die Zeit so schnell vorüberzog.

 

Am Mittwoch lag ich zur erst einmal krank mit Bauch- und Kopfschmerzen in meinem Bett und konnte mich erst zum Mittagessen aufraffen, zur Albergue zu gehen. Allerdings gegessen habe ich nichts, sondern beteiligte mich nur an einem Gespräch mit zwei Gästen aus Deutschland, die sich unser Projekt vor Ort ansahen. Da die beiden Zahnärzte sind/ waren, haben sie uns auch einige Medikamente und Behandlungsmöglichkeiten für die Zähne der Kinder dagelassen. Ihnen haben wir auch die Albergue in all ihren Facetten gezeigt und die Arbeit auf der Chacra demonstriert.

 

Bevor der Nachmittag mit der Hausaufgabenbetreuung begann, half ich unserer lieben Köchin Filippa in der Küche, die schwer damit beschäftigt war, Tomaten, Gurken, Petersilie und Kohl für einen Salat zu zerschnibbeln. Außerdem griff ich ihr und den Schwestern im Anschluss beim Verteilen des Essens unter die Arme, was mir immer wieder viel Freude bereitet.
Zwischenzeitlich war Filippa ziemlich beunruhigt, da ihre rund sechs jährige Tochter viel länger als normal für den Weg von der Schule zur Albergue brauchte. Nach rund zwei Stunden Verspätung machte auch ich mir große Sorgen, sodass ich auf dem Rückweg zum Schwesternhaus besonders auf die Kinder, die mir entgegenkamen geachtet habe. Und tatsächlich: Am Straßenrand fand ich sie plötzlich, brachte sie zu ihrer Mutter und beide waren doch im Endeffekt glücklich.

 

Bei der Hausaufgabenbetreuung gab es leider an diesem Mittwoch ziemlich viel zu tun, da die meine Mädchen wieder malen mussten. „Male Jesus am Kreuz!“, „Male Jesus wie er an Palmsonntag mit Palmwedeln empfangen wird“, „Erkläre mit eigenen Worten wofür „INRI“ steht, schreibe die Dinge auf, die du an Gründonnerstag und Karfreitag gegessen hast“, und „Erkläre, warum man in der Osterwoche kein Fleisch isst.“  Zwei meiner Jungs mussten einige Aufgaben in Mathematik lösen, was einige Zeit beansprucht hat, mein dritter Junge – mein kleiner Bengel, der nie Lust hat, seine Hausaufgaben zu machen – eine Zusammenfassung über den Tod Jesu schreiben. So wollten die drei Mädchen, dass ich ihnen die Kreuzigung und den Hergang des Palmsonntags in ihr Heft zeichne, die beiden Jungs mein mathematisches Fachwissen und mein kleiner Rabauke eine perfekte, nicht länger als ein Satz lange, Zusammenfassung über die Kreuzigung Jesu bekommen.

 

Im Anschluss habe ich noch alleine die komplette Grundschule in Englisch unterrichtet und habe mit ihnen Vokabeln gelernt, die mit der Schule zu tun haben. Leider sind die Lektionen der CD nicht so kindgerecht gestaltet, wie das Einführungsvideo, in dem man ein tolles Lied singt, in dem viele Vokabeln eingebaut sind. So werden nun nur noch abwechselnd das spanische Wort mit der englischen Übersetzung eingeleuchtet. „Campana – Bell“, „Profesor – Teacher“, „Pizarra – Blackboard“. So sind die Kinder nicht mehr so topmotiviert, wie zu beginnt. Allerdings habe ich mir vorgenommen, mir noch einige andere lustige Lernmethoden auszudenken, die die Lernbereitschaft der Kinder fördert und sie nicht den Spaß am Lernen der Weltsprache verlieren.

 

Unsere Aktivitäten für diesen Abend begannen um 19 Uhr. Begonnen haben wir mit einem tollen Lagerfeuer, das die Schwestern mit unserer Hilfe in der Mitte des Hofes aufgebaut haben. Florian und Benjamin hatten die tolle Idee, dass jedes Kind einen Zettel bekommt und auf diesem Zettel alle Ängste und Sorgen aufschreibt, sodass sie im Anschluss im Feuer verbrannt werden konnten. Während die süßen Mädchen neben mir die Angst vor Spinnen und Ratten aufgeschrieben haben, konnte man an vielen anderen Zetteln erkennen, das ihnen die Aufgabe gefallen hat: Die Blätter waren vollgeschrieben bis oben hin, selbstverständlich weiß ich nur nicht, was sie bedrückt und selbst wenn, würde ich es nicht zum Anlass nehmen, es hier zu veröffentlichen. Entschuldigung!

 

Später gab es dann noch für jedes Kind ein im Lagerfeuer erhitztes Marshmallow, Tee und eins der Brote, die wir am Montagvormittag in der Bäckerei gebacken haben. Die Kinder hatten sichtlich ihren Spaß, vor allem mit den hohen Flammen des Feuers. Die Krönung des Abends waren jedoch zwei junge Männer, die in vielen Städten und Ländern Südamerikas eine Marionetten-Show vorführen. Sie sind nur mit ihren Fahrrädern unterwegs und halten mal hie mal da an, fragen an kleinen und großen Institutionen nach, ob sie mit ihren Marionetten Kinderherzen beglücken dürfen. Im Laufe der Woche habe ich einen der beiden zufällig auf der Straße getroffen, der mich lieb angesprochen hat, was ich denn hier in Quiquijana mache. Daher habe ich ihm ein wenig vom unserem Projekt der Albergue erzählt, er war hellauf begeistert und hat im Anschluss sofort mit Sör Nelly gesprochen, ob er zusammen mit seinem spanischen Kollegen in der Albergue seine Show vorführen kann. Nelly hat dem zugestimmt und es war phänomenal lustig! Die Show war perfekt durchdacht, es wurden viele Titelmusikstücke verschiedener bekannter Filme untergebracht und Bücher fliegen gelassen, ein Troll lernte Flötespielen und ein kleiner Jungs stellte seine Jonglierkünste unter Beweis. Ein begabter Pianist klimperte so lange auf seinem Klavier, bis es zusammenbrach und auch unsere Katze Stuart kam im perfekten Moment um die Ecke gestreut, sodass auch er seinen Part zugesprochen bekam. Selbst die Schwestern kamen aus dem Lachen nicht mehr heraus, die beiden waren einfach richtig gut und vor allen Dingen lustig.

 

Donnerstagmorgen war dann schon der erste Feiertag, sodass wir erst einmal ausschliefen und dafür sehr von den Nonnen belächelt wurden. Nachdem um neun Uhr dann der Wecker geklingelt hat, haben Regina und ich Fotos ausgetauscht und unsere Blogartikel geschrieben, geduscht und uns auf das Festessen zu Mittag gefreut. Zuvor haben wir beim Pastor zu Hause einige Maiskörner geschält; im Anschluss bin ich auch zurück nach Cusco gefahren, um mit Bekannten aus Cusco über die heiligen Tage nach Urubamba zu fahren.

 

Ich wünsche euch auf diesem Wege wunderschöne Ostertage, viel Erfolg bei der Ostereiersuche und einige glückliche, stressfreie Tage!

 

Liebe Familie, esst bitte ein Stück Gugelhupf für mich mit!

 

Liebe Gisela, du hattest in der letzten Woche Geburtstag. Auch hier möchte ich dir alles Liebe und Gute nachträglich wünschen! Ich hoffe, dir geht es rundum gut!  

 

Beste Grüße und bis bald,

eure Anna!

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0