Das Jahr ist tatsächlich vorbei.

Seit zwei Wochen bin ich jetzt schon wieder hier ... Hier ein abschließender Bericht über mein Leben in den Anden. ♥

Liebe Leute,

auch wenn ich es noch nicht recht glauben kann (und möchte), ist die letzte Woche in Quiquijana schon Geschichte. Gerade bin ich in Cusco, in meinem zweiten neuen zu Hause Südamerikas und tue Dinge, die ich das ganze Jahr über machen wollte, aber nie geschafft habe.

 

Aber zurück zu Quiquijana:

Die Woche verlief ruhig und stressig, mit weinenden und lachenden Augen, mit Putzaktionen und Minuten, in denen alles verwüstet wurde. Viel mussten wir doch noch in der letzten Wochen erledigen, wie zum Beispiel unsere Plakate mit Fotos fertigstellen, Fotos ausdrucken, die bei der Massen-Ausdruck-Aktion in Cusco untergegangen sind oder unsere Zimmer auf Hochglanz bringen. Viel haben wir noch zusammen mit den Schwestern gelacht und über die Zukunft jedes einzelnen gesprochen. Am Freitagmittag saßen wir dann noch einmal mit allen Schwestern zusammen am Mittagstisch, um uns voneinander zu verabschieden (Der Abschied fand dann doch noch drei weitere Male statt, da man sich immer mal wieder in Cusco oder Quiquijana über den Weg gelaufen ist)

 

Der Abschiedstag an sich begann um drei Uhr nachmittags mit den Kindern auf dem Hof, da wir alle zusammen Volleyball gespielt haben. Neben unserer Abschiedsfeier war dieser Tag auch der Geburtstag der Kinder, die in den Monaten Januar bis Juni Geburtstag hatten – so gab es im Anschluss für rund die Hälfte der Kinder Geschenke. Von uns Freiwilligen bekam jedes Kind zwei Fotos geschenkt – eines von sich selbst oder zusammen mit einem Freund und ein Gruppenbild von uns Freiwilligen, in der Hoffnung nicht in Vergessenheit zu geraten. Außerdem haben wir Luftballons mit Helium gefüllt, sodass jedes Kind einen Wunsch auf einen Zettel geschrieben hat, den Zettel am Ballon befestigt und ihn fliegen ließ. Die Wünsche reichten von „Ich möchte, dass meine Familie und ich immer gesund bleibt“ über „Ich wünschte, ich wäre ein intelligenter Junge“ bis hin zu dem Wunsch, seine Klassenkameradin einmal zu küssen. Auch hat Franca eine PowerPoint Präsentation vorbereitet mit Fotos und Videos, die uns an das Jahr erinnern werden. Abends haben wir noch einen Tee getrunken und Rosinenbrötchen gegessen, sodass der Tag auch einen schönen Ausklang fand. Zwischenzeitlich war ich ein wenig traurig und habe mich auf den Innenhof der Albergue gesetzt. Plötzlich kam die Kleinste aus der Albergue zu mir, setzte sich auf meinen Schoss und sagte im ganz ernsten Ton: „Du, Anna, wir beide müssen jetzt spielen, damit du nicht mehr traurig bist“, nahm ihre Geschenke aus der Tüte und erklärte mir, dass ihre Kinderunterhose für mein Gesicht bestimmt sei, ihre Haarspangen Dekoration für meine Jacke und ihre Zahnpasta verhindert, dass die Zeit vergeht. (So kreativ wäre ich auch gerne mit fünf Jahren gewesen). – Und meine Traurigkeit wich einem herzlichen Lachen.

 

Mit Regina habe ich noch unser gemeinsames Zimmer geputzt – Fenster auf Hochglanz gebracht, unsere Sachen gepackt und Tüten für die neuen Freiwilligen zusammengestellt mit Dingen, die wir hier in Peru lassen. Es war wirklich ein langer Putzmarathon, in dem wir auch viel lachen mussten. Am Ende haben wir uns mit einer Sprite und Keksen zusammengesetzt und unser Zimmer bewundert und uns gefragt, warum wir noch nie früher auf die Idee kamen, einmal alles – wirklich alles – zu putzen.

 

Da der Abschied am Donnerstagnachmittag war, hatten wir noch genügend Zeit am Freitag durch die Straßen zu schlendern, den Mamis auf der Straße „Auf Wiedersehen“ zu sagen, nochmal in die Albergue zu gehen und mit dem ein oder anderen Kind uns zusammenzusetzen und zu quatschen. Als ich mitten im Gespräch vertieft war, dirigierte mich Schwester Cecilia zu mir. Ein wenig verunsichert ging ich hoch, mit dem Gedanken etwas verbrochen zu haben. Stattdessen schenkte sie mir ein wunderschönes selbstgemachtes Armband in den Farben Kolumbiens. Da sie selbst aus Kolumbien stammt und sie möchte, dass ich – ihre geheime Freundin – sie einmal dort besuche, soll mich dieses Armband stets an dieses Vorhaben erinnern. (Und selbstverständlich ist es mein Verdienst, dass Kolumbien so weit in der WM gekommen ist!)

 

Am Samstagmorgen bin ich zusammen mit Benni schon sehr früh morgens nach Cusco zu gefahren. Die Schwestern fuhren auch dorthin, um unsere Koffer mitzunehmen, die dann in der Wohnung Sör Nellys abgeladen wurden. So trafen wir sie nur rund zwei Stunden wieder in Cusco, später noch einmal beim Einkaufen und noch ein drittes Mal auf der Straße, bis wir uns endgültig verabschiedet haben. Außer von Nelly – denn sie hat uns sogar noch zum Flughafen begleitet.

 

Dieses Jahr in Peru, aber vor allen Dingen in Quiquijana werde ich niemals vergessen. Schon jetzt, zwei Wochen wieder in Deutschland, vermisse ich die Kinder sehr. Hoffentlich sehe ich sie noch einmal in meinem Leben wieder, auch wenn das bei sehr vielen wahrscheinlich nicht mehr der Fall sein wird.

 

In der letzten Woche hatten wir noch eine Woche frei. Diese Zeit habe ich genutzt, um die Dinge, die ich das ganze Jahr über machen wollte, aber nie geschafft habe, zu erleben. So war ich beispielsweise in der Sixtinischen Kapelle Südamerikas, im Korikancha (dem Sonnentempel der Inkas in Cusco), an einigen Aussichtspunkten und Kirchen, auf einem mehr oder weniger spannenden Konzert und bin sehr viel durch die Straßen Cuscos geschlendert, habe noch Stunden mit meinen peruanischen Freunden verbracht und Minute für Minute mehr Abschied genommen. In dieser letzten Woche herrschte vor allen Dingen Ausnahmezustand in Cusco, da die Straßen wegen des Festes Inti Raymi (das Fest zu Sommersonnenwende) von Touristen überflutet wurden. Kaum konnte man sich auf dem Plaza bewegen, auf dem ich mich doch sonst immer so gerne aufhielt. So entdeckte ich noch viele kleine andere schöne Orte, die mir immer in Erinnerung bleiben werden. Wie bereits erwähnt haben wir in der letzten Woche „wie Peruaner“ nicht im Haus unserer Gastfamilie im touristischen Stadtzentrum gewohnt, sondern in der Wohnung von Nelly hausen dürfen. Diese Wohnung liegt außerhalb von all dem Trubel; die Leute auf der Straße grüßen wie die Leute aus Quiquijana, in den kleinen Läden kann man einkaufen für wenig Geld und man unterscheidet dort eben nicht, ob man weiß oder dunkelhäutig ist, Ausländer oder Peruaner, Frau oder Mann, sondern man wird angelächelt, wenn man auch ein Lächeln verschenkt.

 

Das waren meine letzten Tage in diesem atemberaubend, schönen Land. Jetzt beginnt die Zeit des Studierens und ich kann nur hoffen, dass mein Plan, nach dem Studium noch einmal wiederzukommen, aufgeht.

 

Vielen Dank an alle, die mich unterstützt haben. Mein besonderer Dank geht an meine Familie, neben meinen wundervollen Eltern und meinem lieben Bruder ganz besonders an meine Großeltern. Danke! An meinen Chef, den Herrn Gravenkötter und der tollen Organisation der Kinderhilfe Cusco-Peru e.V., alle Leute, die regelmäßig meinen Blog gelesen haben – Insbesondere Danke Gisela und Ingrid! Danke an alle, die mir deutlich gemacht haben, dass sie an mich denken und gut finden, was ich tue. Danke. Ich umarme euch alle.

 

In Liebe,
Anna

 

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